Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. Organ. Arbeitsvertragsverhältnis. Sic-non-Fall

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Streitigkeiten aus demjenigen Vertragsverhältnis, das der Anstellung des Organs einer juristischen Person zugrundeliegt, fallen aufgrund § 5 I 3 ArbGG in die Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Das gilt auch dann, wenn die Organstellung mittlerweile beendet ist.

2.) Das Anstellungsverhältnis des Organs einer juristischen Person ändert sich mit der Beendigung der Organstellung nicht automatisch in ein Arbeitsvertragsverhältnis.

3.) Die Grundsätze über die Rechtswegbestimmung in sog. Sic-non-Fällen finden im Rahmen des § 5 I 3 ArbGG keine Anwendung.

 

Normenkette

ArbGG §§ 2, 5; GVG 17a

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 14.04.2011; Aktenzeichen 1 Ca 169/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hin wird der Zuständigkeitsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 14.04.2011 abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für unzulässig erklärt.

Der Rechtsstreit wird in den dafür zuständigen Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen, und zwar an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht Bonn.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache um die Wirksamkeit der Befristung eines vermeintlichen Arbeitsverhältnisses, um einen Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers, hilfsweise um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses seit dem 01.01.2011 und äußerst hilfsweise, für den Fall der Beendigung der Vertragsbeziehungen der Parteien, um eine Forderung des Klägers auf Urlaubsabgeltung unter Berücksichtigung des geldwerten Vorteils für die entgangene private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens.

In prozessualer Hinsicht streiten die Parteien zunächst um die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte.

Der Kläger übernahm zum 01.07.2005 befristet für die Zeit bis zum 30.06.2008 ein Vorstandsamt bei der beklagten Aktiengesellschaft. Zu diesem Zwecke schlossen die Parteien den Dienstvertrag vom 13. April 2005, welcher gemäß seiner Ziffer 7 S. 1 ebenfalls für die Zeit bis zum 30.06.2008 befristet war, und auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 11 – 14 d. A.).

Zeitgleich übernahm der Kläger ebenfalls Vorstandsämter bei zwei weiteren konzernangehörigen Unternehmen der Z-Gruppe, u. a. bei der Z B A D mit Sitz in F a M. Die Vorstandsbestellung sowie die dazu abgeschlossenen entsprechenden Dienstverträge waren zunächst ebenfalls auf den 30.06.2008 befristet.

Nachdem die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied bei der Z B A bereits im Jahre 2007 bis zum 31.12.2010 verlängert worden war, schlossen der Kläger einerseits, die Z B A D, die hiesige Beklagte sowie eine dritte Konzerngesellschaft andererseits am 12.02.2008 rückwirkend zum 01.01.2008 ein sog. Amendment to the Contract of Service, auf dessen vollständigen englischen Originaltext (Bl. 16 – 18 d. A.) bzw. die deutsche Übersetzung (wie Bl. 82 – 84 d. A.) Bezug genommen wird. Autorisiert durch dieses Amendment übernahm der Kläger ab dem 01.01.2008 eine Aufgabe als „Global Industry Network Leader für den Sektor Automobilindustrie” auf der Ebene der Z F S (Z). In seiner Eigenschaft als Global Industry Network Leader für den Sektor Automobilindustrie wurde der Kläger an den Dienstsitzen F a M und N Y tätig und hatte nach eigenem Bekunden einem Z-Manager Namens R M zu berichten.

Die Vorstandsbestellung des Klägers bei der Beklagten wurde am 14.11.2008 aus dem Handelsregister gelöscht.

Nachdem sich die die Z-G zum Ende des Jahres 2010 auf den Standpunkt stellte, dass nunmehr sämtliche Vertragsbeziehungen mit dem Kläger beendet seien und auch die Z B A den mit ihr abgeschlossenen, im Jahre 2007 für die Zeit bis zum 31.12.2010 verlängerten Dienstvertrag als beendet ansah, erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Bonn die vorliegende Klage gegen die hiesige Beklagte, ferner vor dem Arbeitsgericht F a M eine entsprechende Klage gegen die Z B A. Während das Arbeitsgericht F a M mit Beschluss vom 09.03.2011 für den dortigen Rechtsstreit den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den dortigen Rechtsstreit an das Landgericht F a M verwiesen hatte, hat das Arbeitsgericht Bonn nach einer entsprechenden Rechtswegrüge der hiesigen Beklagten mit Beschluss vom 14.04.2011 seine Zuständigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit angenommen. Auf die Gründe des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bonn vom 14.04.2011 wird Bezug genommen.

Die Beklagte ist als Beschwerdeführerin der Auffassung, dass aufgrund der nur befristeten Vorstandsbestellung und der Befristung des sich ausschließlich auf die Vorstandsstellung beziehenden Dienstvertrages ebenfalls auf den 30.06.2008 seit dem 01.07.2008 keine Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien mehr bestünden. Die Beklagte macht geltend, aus § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG folge die Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit. Jede vertragliche Beziehung zwischen ihr und dem Kläger habe sich nur auf die für die Zeit vom 01.06.2005 bi...

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