Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

politische Partei. Gesamtbetriebsrat. Konzernbetriebsrat. Unternehmensträger. Organisation

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Frage, ob eine politische Partei mit ihren Untergliederungen einen Konzern oder ein Unternehmen i.S.d. Betriebsverfassungsrechts bildet, sind die für Wirtschaftsunternehmen entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Ob ein eigenständiger Unternehmensträger in den Untergliederungen gesehen werden kann, richtet sich nach § 3 PartGes i.V.m. der tatsächlichen Organisationsstruktur.

 

Normenkette

BetrVG §§ 47, 53 Abs. II; Parteiengesetz §§ 9, 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 17.09.1997; Aktenzeichen 4 BV 9/97)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Bonn – 4 BV 9/97 – vom 17.09.1997 aufgehoben.

Die Anträge werden abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller sich wirksam als Gesamtbetriebsrat im Sinne des § 47 BetrVG gebildet hat und deshalb die Beteiligte zu 2) verpflichtet ist, in einer Betriebsräteversammlung nach § 53 Abs. 2 BetrVG einen Bericht über das Personal- und Sozialwesen sowie über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens zu erstatten.

Die Beteiligte zu 2) besteht seit ihrer Gründung als politische Partei in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins. Sie hat sich eine Satzung in Form eines Organisationsstatuts (OS) gegeben. Danach ist sie gemäß § 8 Abs. 1 OS in Ortsvereine, Unterbezirke und Bezirke gegliedert. Die Bezirke entsprechen den Gebietsverbänden der jeweils höchsten Stufe im Sinne des § 3 Satz 2 Parteiengesetz. Gemäß § 9 OS regeln die Bezirke ihre Angelegenheiten durch eigene Satzungen, wobei diese nicht im Widerspruch zum Organisationsstatut stehen dürfen.

Das oberste Organ der Bundes-SPD ist gemäß § 15 OS in Übereinstimmung mit § 9 Parteiengesetz der Parteitag. Für die Bezirke ist es der Bezirksparteitag. Sowohl auf Bundesebene als auch auf Bezirksebene sind Vorstände gewählt, die gemäß § 11 Parteiengesetz die Geschäfte führen.

In einigen Stadtstaaten ist eine Untergliederung in Bezirke wegen der Landesgröße nicht erfolgt. Daneben finden sich in einigen Bundesländern organisatorische Zusammenschlüsse mehrerer Gebietsverbände, die als Landesverbände bezeichnet sind.

Sowohl bei dem SPD-Parteivorstand ist ein Betriebsrat gebildet worden (der Beteiligte zu 3.) als auch in den weiteren SPD-Bezirken und den Landesverbänden.

Gemäß § 25 Abs. 1 OS ist der jeweilige Parteivorstand Eigentümer aller vorhandenen Gelder und sonstigen Vermögensstücke. Tatsächlich ist das Parteieigentum auf die sog. Konzentrations-GmbH übertragen und wird von dieser treuhänderisch verwaltet. Nach § 25 OS ist der Bundesparteivorstand berechtigt, im eigenen Namen und aus eigenem Recht alle der sozialdemokratischen Partei zustehenden Ansprüche gegen Schuldner und Schuldnerinnen geltend zu machen. Er vertritt die Partei gerichtlich und außergerichtlich. Er ist ermächtigt, die sonst nicht übertragbaren Persönlichkeitsrechte der Partei als einer Körperschaft insbesondere das Namensrecht im eigenen Namen geltend zu machen.

Die Bezirke handeln unter dem Namen der SPD unter Zufügung ihrer Bezirksbezeichnung. Die Arbeitsverträge der Mitarbeiter in der Bezirksverwaltung werden mit dem Bezirksvorstand abgeschlossen. Gemäß § 7 der Finanzordnung, die gemäß § 13 OS Bestandteil des Organisationsstatutes ist, wird der Wirtschaftsplan von dem Parteivorstand und den Vorständen der Untergliederung gemeinsam beschlossen. Die Bezirke können selbständig Kredite aufnehmen, eine Genehmigungspflicht durch den Parteivorstand besteht für diejenigen Kredite, die nicht im folgenden Haushaltsjahr vollständig getilgt werden können. Zur Förderung der Parteiarbeit in finanzschwachen Bezirken führt der Parteivorstand innerhalb der Gesamtpartei im Einvernehmen mit den Bezirken einen Finanzausgleich durch.

Die Untergliederung der Bundespartei insbesondere die Bezirke, aber auch die Unterbezirke und Landesverbände unterhalten Geschäftsstellen, über deren Einrichtung und personelle Besetzung sie eigenverantwortlich entscheiden.

Im Jahre 1971 wurde das Organisationsstatut in § 28 Abs. 2 Nr. 2 J dahin geändert, daß ein Vertreter oder eine Vertreterin des Gesamtbetriebsrates der SPD beratendes Mitglied im Parteirat ist. Daraufhin konstituierte sich ein sog. Gesamtbetriebsrat und arbeitet seitdem kontinuierlich in der jeweiligen Besetzung. Nach dem Statut der Parteischule müssen ebenfalls mindestens 2 Mitglieder des Vorstandes und 3 Mitglieder des Beirates der Parteischule dem Gremium des Gesamtbetriebsrates angehören. Dem Beteiligten zu 1) wird auch ein regelmäßiges geschäftsordnungsmäßiges Rederecht auf sämtlichen Parteitagen zugestanden.

Seit dem Jahr 1991 ist zwischen den Beteiligten im Streit, ob das als Gesamtbetriebsrat bezeichnete Gremium alle Rechte eines Gesamtbetriebsrats im Sinne der §§ 47 ff. BetrVG geltend machen kann oder ob sich die Rechte ...

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