Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsetzung einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand Abschluss eines Interessenausgleichs zur Betriebsstilllegung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Antrag im Beschlussverfahren zur Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit ist unzulässig, wenn sich die Betriebsparteien verpflichtet haben, in einem solchen Konfliktfall zunächst eine innerbetriebliche Einigung in einem von ihnen vereinbarten Verfahren zu versuchen.
Normenkette
ArbGG § 100 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 07.03.2017; Aktenzeichen 5 BV 4/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 07.03.2017 - 5 BV 4/17 - abgeändert: Die Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand Abschluss eines Interessenausgleichs zur Betriebsstilllegung. Dabei geht es darum, ob der Antrag bereits wegen eines entgegenstehenden obligatorischen innerbetrieblichen Schlichtungsverfahrens unzulässig ist. Darüber hinaus, ob die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist, weil die von der Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) für das laufende Jahr 2017 beabsichtigte Betriebsstilllegung des Betriebes in L gegen die in der Betriebsvereinbarung vom 24.10.2014 festgelegte Garantie des Standortes bis zum 31.12.2019 verstößt.
Die Arbeitgeberin ist ein Tochterunternehmen der S AG, einem weltweit tätigen Industriekonzern. In dem Betrieb in L /S werden ca. 180 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Antragsgegner ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat mit 7 Mitgliedern (im Folgenden: Betriebsrat).
Am 24.10.2014 schlossen die Beteiligten eine "Betriebsvereinbarung zum Interessenausgleich - Reorganisation und Zukunftssicherung des Standortes" (im Folgenden: BV 2014). Darin heißt es auszugsweise:
"§ 3 Beschäftigungssicherung
...
Es wird eine Sicherung und Aufrechterhaltung des Fertigungsstandortes S mit mindestens den in Anlage 3 aufgeführten Organisationseinheiten bis einschließlich 31.12.2019 garantiert. In diesem Zeitraum sind betriebsbedingte Kündigungen bis auf die in § 14.1 und § 14.2 beschriebenen personellen Maßnahmen ausgeschlossen.
Bei konjunkturbedingtem Beschäftigungsmangel sind die gesetzlichen und tariflichen Instrumente der Beschäftigungssicherung zu nutzen. Sollte danach aus Sicht des Arbeitgebers ein Personalabbau unumgänglich sein, so verpflichten sich die Parteien darüber zu verhandeln.
§ 16 Schlussbestimmungen
Für Meinungsverschiedenheiten aus dieser Betriebsvereinbarung ist die Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG zuständig."
Die Arbeitgeberin beabsichtigt, den Betrieb S in L "im Laufe des Jahres 2017" (Schreiben an den Betriebsrat vom 16.01.2017) stillzulegen. Der Betriebsrat lehnte die von der Arbeitgeberin dazu angebotenen Verhandlungen über einen Interessenausgleich ab unter Berufung auf die Garantie des Standortes bis zum 31.12.2019 nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BV 2014.
Daraufhin hat die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Siegburg die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Abschluss eines Interessenausgleichs zur Betriebsstilllegung des Betriebs beantragt. In einem weiteren Verfahren vor dem Arbeitsgericht Siegburg (1 BV 6/17) hat der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 16 Abs. 1 BV 2014 zum Regelungsgegenstand Meinungsverschiedenheiten aus der BV 2014 gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG beantragt.
Die Arbeitgeberin hat - hier - beantragt,
- zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zum Abschluss eines Interessenausgleichs zur Betriebsstilllegung des Betriebs der Antragstellerin S wird der Vizepräsident des Arbeitsgerichts a.D. Herr L J bestellt, hilfsweise der Direktor des Arbeitsgerichts a.D. Herr D B ;
- die Zahl der Beisitzer wird für jede Seite auf 3 festgesetzt.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- die Anträge zurückzuweisen;
- hilfsweise, den ehemaligen Direktor des Arbeitsgerichts Köln, Herrn F -J T , zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben mit der Maßgabe, dass Herr B H , Richter am Arbeitsgericht Aachen, als Einigungsstellenvorsitzender bestellt worden ist. Auf den Beschluss (Bl. 44 - 52 d. A.) wird verwiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betriebsrat mit seiner Beschwerde. Er ist - unter Berufung auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 11.02.2014 (1 ABR 76/12) und 23.02.2016 (1 ABR 5/14) - der Auffassung, die Anträge seien bereits wegen des in § 16 Abs. 1 BV 2014 vorgesehenen obligatorischen innerbetrieblichen Schlichtungsverfahrens unzulässig. Darüber hinaus sei die Einigungsstelle auch offensichtlich unzuständig, weil die von der Arbeitgeberin für das laufende Jahr 2017 beabsichtigte Betriebsstilllegung des Betriebes in L gegen die Garantie des Standortes bis zum 31.12.2019 nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BV 2014 verstößt.