Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuziehung von Betriebsratsmitgliedern zu Gesprächen über Tätigkeitsbeschreibungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Führt der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer aus Anlass der bevorstehenden Einführung eines neuen einheitlichen Entgeltrahmentarifvertrages für Arbeiter und Angestellte (ERA) Gespräche über dessen konkrete Tätigkeitsbeschreibung, die Grundlage für die neu vorzunehmende Eingruppierung sein soll, so darf der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer gewünschte Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu diesem Gespräch nicht verweigern.

2. Ein grober Verstoß i. S. v. § 23 Abs. 3 BetrVG liegt regelmäßig nicht vor, wenn der Arbeitgeber in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage eine bestimmte, sich später als unzutreffend herausstellende Rechtsansicht vertritt.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 3, § 82 Abs. 2; ZPO § 256; Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie NRW (ERA)

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Beschluss vom 06.02.2008; Aktenzeichen 3 BV 3/08)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 20.04.2010; Aktenzeichen 1 ABR 85/08)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 06.02.2008 – 3 BV 3/08 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2. nicht berechtigt ist, den Mitarbeitern/innen die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu Gesprächen über die Beschreibung ihrer Tätigkeit, die als Grundlage für eine Ein- bzw. Umgruppierung dienen soll, zu verweigern, wenn die Mitarbeiter/innen die Hinzuziehung wünschen.

Die weitergehenden Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2) berechtigt ist, die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu bestimmten Gesprächen mit den Mitarbeitern zu untersagen.

Die Beteiligte zu 2) ist Herstellerin von Tauchmotoren, Tauchbelüftern und Rührwerken für die Abwasser- und Umwelttechnik. Der Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2) bestehende Betriebsrat. Die Antragsgegnerin wendet die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW an. Zum 01.01.2008 führte die Beteiligte zu 2) das neue Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie NRW (ERA) ein. Dieses Entgeltrahmenabkommen löst die bis dahin getrennten tariflichen Regelungen zur Entgeltfindung für Arbeiter und Angestellte ab und überführt diese in ein einheitliches Entgelt-Tarifwerk für alle tariflichen Beschäftigten. Kernstück des ERA sind die Regelungen zur Bewertung und Einstufung aller betrieblichen Arbeitsaufgaben nach einem Punktbewertungsverfahren und die sich jeweils daraus ergebende Eingruppierung der Tarifbeschäftigten in eine der 14 neuen Entgeltgruppen. Zur Einführung des ERA haben die Beteiligten gemäß § 4 Nr. 3 ERA i. V. m. § 7 ERA-Einführungstarifvertrag durch Betriebsvereinbarung vom 19.01.2007 das sog. besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren vereinbart. Nach diesem Verfahren werden streitige Eingruppierungen einer paritätischen Kommission zur Klärung zugeführt und im Falle der Nichteinigung durch eine tarifliche Einigungsstelle geklärt. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Eingruppierungen und Umgruppierungen nach §§ 99 ff. BetrVG werden durch diese tarifliche Bestimmung abgelöst (§ 7 Nr. 1 ERA-ETV).

Mit Rundschreiben vom 18.09.2007 kündigte der Geschäftsführer der Beteiligten zu 2) an, dass die im Zusammenhang mit der ERA-Einführung von einer Unternehmensberatung erstellten Tätigkeitsbeschreibungen fast fertig gestellt seien und in der nächsten Woche mit den Arbeitnehmern besprochen würden, um gegebenenfalls gemeinsam eventuelle Anpassungen vorzunehmen. Dies wiederholte der Geschäftsführer der Beteiligten zu 2) nochmals anlässlich einer am 10.10.2007 durchgeführten Betriebsversammlung.

Diese Gespräche fanden in der Folgezeit statt. Teilweise wünschten Arbeitnehmer die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu den Gesprächen. Das lehnte die Beteiligte zu 2) ab und stellte die Arbeitnehmer vor die Alternative das Gespräch entweder ohne Betriebsratsmitglied oder gar nicht durchzuführen. Anschließend nahm die Beteiligte zu 2) auf der Grundlage der Tätigkeitsbeschreibungen die Eingruppierung nach dem ERA vor. Hierüber informierte sie die Arbeitnehmer mit Schreiben vom 29.11.2007.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass den Arbeitnehmern ein Recht auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu den vorgenannten Gesprächen nach § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zustehe.

Der Antragsteller hat beantragt,

  1. der Antragsgegnerin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, den Mitarbeiter/innen die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu Gesprächen über die Beschreibung ihrer Tätigkeit, die als Grundlage für eine Ein- bzw. Umgruppierung dienen soll, zu verweigern, wenn die Mitarbeiter die Hinzuziehung wünschen;
  2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 1., ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gesetz...

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