Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Vergleich. Freistellung. Kündigungsfrist. Zeugnisregelung im Vergleich ohne inhaltliche Vorgaben. Vergleichsmehrwert durch Freistellungsvereinbarung. Höhe des Vergleichsmehrwerts
Leitsatz (amtlich)
1.) Vereinbaren die Parteien eines Kündigungsschutzprozesses in einem Vergleich, dass die gekündigte Arbeitnehmerin während der Kündigungsfrist zu bestimmten Bedingungen freigestellt bleibt, so kann dies ausnahmsweise einen Vergleichsmehrwert rechtfertigen, wenn die Arbeitnehmerin vor Beginn der Vergleichsverhandlungen außergerichtlich gegen ihre zunächst vom Arbeitgeber einseitig verfügte Freistellung protestiert hatte.
2.) Als Vergleichsmehrwert ist 25 % des Verdienstes anzusetzen, den der Arbeitnehmer, gerechnet vom Zeitpunkt des Vergleichsschlusses an in der noch verbleibenden Freistellungsphase verdient hat, höchstens jedoch ein Bruttomonatsgehalt.
Normenkette
RVG § 33 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 20.12.2012; Aktenzeichen 1 Ca 3036/12) |
Tenor
Auf die Streitwertbeschwerde des Beklagtenvertreters hin wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 20.12.2012 teilweise wie folgt abgeändert:
Der Streitwert für den gerichtlichen Vergleich vom 29.11.2012 wird auf
5.780,00 Euro
festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist teilweise begründet.
Der Freistellungsvereinbarung in Ziffer 2 des Vergleichs der Parteien vom 29.11.2012 kommt ausnahmsweise ein Vergleichsmehrwert in Höhe eines Bruttomonatsgehalts der Klägerin, also in Höhe von 1.445,00 Euro, zu.
Grundsätzlich ist das Arbeitsgericht in seinem Streitwertbeschluss vom 20.12.2012 von zutreffenden Erwägungen ausgegangen. Im vorliegenden Fall war allerdings die von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Ausspruch der streitigen Kündigung einseitig verfügte Freistellung nach der Darstellung des Beklagtenvertreters, welcher der Klägervertreter ausdrücklich nicht entgegen getreten ist, Gegenstand eines außergerichtlichen Protestes der Klägerin bei der Beklagten. Wenn dem so war, wovon auszugehen ist, so stand zu befürchten, dass die Klägerin die Frage der einseitigen Freistellung zum Anlass einer entsprechenden Klageerweiterung oder gar eines Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz hätte nehmen können, wenn es nicht zu der gütlichen Einigung gekommen wäre. Dies rechtfertigt es ausnahmsweise, der in dem Vergleich vom 29.11.2012 enthaltenen Regelung über die Freistellung der Klägerin einen Vergleichsmehrwert beizumessen.
Der Höhe nach ist ein solcher Vergleichsmehrwert mit 25 % des Verdienstes anzusetzen, den der Arbeitnehmer, gerechnet vom Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses an, in der noch verbleibenden Freistellungsphase verdienen konnte. Insgesamt ist jedoch nicht mehr als ein Bruttomonatseinkommen des Arbeitnehmers anzusetzen. Die Beschwerdekammer folgt insoweit im Interesse der Rechtssicherheit einer vorläufigen Empfehlung der von den Präsidenten der Landesarbeitsgerichte eingesetzten Streitwertkommission.
Ziffer 4 des Vergleichs vom 29.11.2012 enthält entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keinen weiteren Vergleichsmehrwert. Die Zeugnisregelung in der Vergleichsziffer 4 enthält keinerlei inhaltliche Vorgaben für die Zeugnisgestaltung, die geeignet sein könnten, einem etwaigen künftigen Streit über den Zeugnisinhalt vorzubeugen. Die bloße Zusage der Beklagten, einen von der Klägerin zu erstellenden Zeugnisentwurf wohlwollend prüfen zu wollen, erscheint in dieser Hinsicht allzu unverbindlich.
Ein sogenanntes Titulierungsinteresse ist ebenfalls nicht anzuerkennen. Es würde zumindest voraussetzen, dass objektive Anhaltspunkte für die Befürchtung bestünden, dass die Arbeitgeberin ihrer grundsätzlichen Pflicht zur Erteilung eines Zeugnisses nicht ordnungsgemäß nachzukommen bereit sein könnte. Hieran fehlt es vorliegend völlig.
Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.
Fundstellen