Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. Auskunftsanspruch. Geschäftsgeheimnis. Ermessen. Ergebniskontrolle. Tarifverhandlungen
Leitsatz (amtlich)
1) Die Einigungsstelle hat im Rahmen des § 109 BetrVG entgegen der in der Literatur herrschenden Meinung eine Ermessensentscheidung zu treffen.
2) Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung hat die Einigungsstelle auch zu beurteilen, inwieweit sich der Arbeitgeber gegenüber einem Auskunftsbegehren der Arbeitnehmerseite auf die Gefährdung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses des Unternehmens berufen kann.
3) Der Spruch der Einigungsstelle des § 109 BetrVG kann von den Arbeitsgerichten inhaltlich nur daraufhin überprüft werden, ob er sich im Ergebnis innerhalb der Grenzen des der Einigungsstelle zustehenden Ermessensspielraums gehalten hat. Ist dies der Fall, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Einigungsstelle ihren Spruch u.U. mit fehlerhaften Überlegungen begründet hat.
4) Es bestehen grundsätzliche Bedenken dagegen, ob der Arbeitgeber ein Geheimhaltungsinteresse i.S.v. § 106 Abs. 2 BetrVG darauf stützen darf, dass er in seiner Verhandlungsposition bei Tarifverhandlungen geschwächt werden könne, weil Mitglieder des Wirtschaftsausschusses bzw. (Gesamt-) Betriebsrats zugleich der gewerkschaftlichen Tarifkommission angehören.
Normenkette
BetrVG § 2 Abs. 1, § 74 Abs. 3, § 76 Abs. 5, §§ 106, 109; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 17.11.1998; Aktenzeichen 1 BV 61/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn – 1 BV 61/98 – vom 17.11.1998 und die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn – 2 BV 62/98 – vom 13.01.1999 einschliesslich der Antragserweiterung vom 13.04.1999 werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligten zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Spruches einer nach § 109 BetrVG gebildeten Einigungsstelle.
Die Beteiligte zu 1) ist durch Privatisierung aus der D. B. P. hervorgegangen. Beteiligter zu 2) ist der bei der Beteiligten zu 1) gebildete Gesamtbetriebsrat (GBR).
Mit der Zielrichtung, die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Briefzustellung für die Zukunft zu sichern und neue Märkte für neue Produkte zu erschliessen, startete die Beteiligte zu 1) Mitte des Jahres 1996 ein Pilotprojekt „Postzustellservice” (PZS). Gegenstand des Pilotprojektes war es, die Verteilung bestimmter Produkte, nämlich großformatige Briefsendungen, Wurfsendungen an alle Haushalte und sog. Postwurfsendungen spezial, gegen Zahlung bestimmter Vergütungen unternehmensfremden Service-Partnern zu übertragen. Der Pilotbetrieb wurde räumlich auf bestimmte Postleitzahlbereiche in bestimmten Großstädten in verschiedenen Regionen der B. beschränkt. Was den Umfang des Pilotprojekts angeht, so wurden im Monat Juli 1997 an 7 Standorten 647.613 Sendungen durch die Service-Partner zugestellt. Dies entspricht nach Darstellung der Beteiligten zu 1) einem Anteil von 0,037 % des gesamten Zustellvolumens.
Die Beteiligte zu 1) unterrichtete im Juni 1997 den GBR über den Stand des Pilotprojekts (vgl. Bl. 17 f. d.A.). In der Folgezeit verlangte der GBR von der Beteiligten zu 1), dem gemäß § 106 BetrVG gebildeten Wirtschaftsausschuss die vollständigen Kooperationsverträge mit den jeweiligen Service-Partnern vorzulegen. Dem kam die Beteiligte zu 1) nur mit der Einschränkung nach, dass die mit den jeweiligen Service-Partnern vereinbarten Entgelte in den Kooperationsverträgen unkenntlich gemacht waren. Eine Auskunft über diese Entgelte verweigerte die Beteiligte zu 1).
Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.09.1997 (5 BV 66/97) wurde daraufhin auf Antrag des GBR der damalige Vorsitzende Richter am LAG Hamm Kreft zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG berufen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) blieb erfolglos (Beschluss des LAG Köln vom 05.03.1998, 10 TaBV 94/97). Am 05.06.1998 fand die Einigungsstellenverhandlung statt. Ein einvernehmlicher Kompromiß konnte dabei nicht erzielt werden.
Der GBR stellte daraufhin in der Einigungsstelle folgende Anträge zum Spruch:
Die Einigungsstelle möge beschliessen:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuss für wirtschaftliche Angelegenheiten die ungeschwärzten, vollständigen Verträge mit den Partnern im Projekt „PZS” zur Einsichtnahme vorzulegen;
Hilfsantrag:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuss für wirtschaftliche Angelegenheiten alle Preise zu nennen, die er mit den Partnern im Projekt „PZS” für die Auslieferung der Sendungen vereinbart hat und diesen bezahlt;
Hilfsantrag:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuss für wirtschaftliche Angelegenheiten die folgenden Informationen zukommen zu lassen:
Vereinbarte Preise für die unterschiedlichen Produkte mit Partnern im Projekt „PZS” ohne Zuordnung zu den einzelnen Vertragspartnern; quartalsweise die Angabe der nach Produkten getrennten durchschnittlichen Beträge (Gesamtsumme geteilt d...