Entscheidungsstichwort (Thema)
Spruchkörperübergreifende Verbindung
Leitsatz (amtlich)
1.) Eine spruchkörperübergreifende Verbindung nach § 147 ZPO ohne Grundlage im Geschäftsverteilungsplan ist unzulässig.
2.) Trotz des darin liegenden Verstoßes gegen ein Verfahrensgrundrecht ist gegen die Verbindung die Beschwerde nicht statthaft.
Normenkette
ZPO § 147
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 21.04.2010; Aktenzeichen 6 BV 59/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.04.2010 (6 BV 59/09) wird als unstatthaft zurückgewiesen.
Tatbestand
Bei einer Verbindung nach § 147 ZPO ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht gegeben. Dieses folgt aus § 78 ArbGG i. V. m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Weder ist in § 149 ZPO bestimmt, dass die sofortige Beschwerde stattfindet, noch handelt es sich um eine eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Der Beschluss hat auch nicht die Wirkung, dass es zu einem teilweisen Verfahrensstillstand kommt, so dass eine Beschwerde nach § 252 ZPO eröffnet wäre (vgl. dazu Baumbach, 68. Auflage, § 147 ZPO, Rn. 17).
Die Beschwerde ist auch nicht als sog. außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit eröffnet.
I. Zwar ist eine Verbindung nach § 147 ZPO, die dazu führt, dass für das Verfahren eine andere Kammer als nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehen zuständig wird, allenfalls dann zulässig, wenn alle Parteien dem zustimmen (BAG 22.03.2001 – 8 AZR 556/00 – AP Nr. 59 zu Artikel 101 GG). Der richterliche Geschäftsverteilungsplan des Arbeitsgerichts Aachen für das Jahr 2010 sieht ein Verfahren für die Abgabe von Parallelsachen oder von Sachen mit identischen Parteien oder Beteiligten an eine andere Kammer nicht vor. Er regelt auch nichts für den Fall der Verbindung.
Da es sich bei dem Geschäftsverteilungsplan um eine abstrakt generelle Regelung handeln muss, die im Voraus die Zuständigkeit bestimmt, wird dieses Erfordernis selbstverständlich auch nicht ersetzt durch eine „Rücksprache mit dem Präsidium”, worauf die sich das erstinstanzliche Gericht in der Nichtabhilfe-Verfügung beruft. Es gehört zum Begriff des gesetzlichen Richters, dass nicht für bestimmte Einzelfälle bestimmte Richter ausgesucht werden, so dass die einzelne Sache „blindlings”, d.h. aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangen muss. Willkürlich ist hingegen die Bestimmung des Richters dann, wenn die Zuständigkeitsbestimmung von Fall zu Fall im Gegensatz zu einer normativen, abstrakt generellen Vorherbestimmung des Richters erfolgt (BVerfG 10.07.1990 – 1 BVR 984, 985/87 – BVerfGE 82,298; BAG 22.03.2001 – 8 AZR 556/00 – AP Nr. 59 zu Artikel 101 GG).
Der angefochtene Beschluss verletzt damit das Verfahrensgrundrecht des gesetzlichen Richters. Dieses dürfte im Beschwerdeverfahren in der Hauptsache dazu führen, dass wegen des beim Landesarbeitsgericht nicht mehr heilbaren Verfahrensverstoßes der erstinstanzliche Beschluss aufzuheben und die Verfahren getrennt an die ursprünglichen Kammern zurückzuverweisen sind (vgl. insoweit zum Revisionsrecht BAG 22.03.2001 aaO.).
Entscheidungsgründe
II. Gleichwohl kann im laufenden Verfahren dieser Verfahrensfehler nicht mit der sog. außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit angegriffen werden.
Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreform-Gesetz ist ein außerordentliches, nicht im Gesetz vorgesehenes Rechtsmittel auch dann nicht mehr statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen „greifbar gesetzwidrig” ist.
Das ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber des Zivilprozessreformgesetzes die Problematik der Verletzung von Verfahrensgrundrechten gesehen hat. Er hat mit § 321 a ZPO n. F. bzw. mit § 78 a ArbGG erstmals eine Abhilfemöglichkeit für Verfahren vorgesehen, in denen eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung bisher nicht möglich war. In anderen Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Gesetzgeber dahingegen von einer Regelung abgesehen. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers ist von den Gerichten zu beachten. Auch wenn bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten von Verfassungswegen die Möglichkeit einer Abhilfe innerhalb der angerufenen Gerichtsbarkeiten vorzusehen ist (BVerfG 16.01.2002 – 1 BVR 10/99), eröffnet dieses nicht einen im Gesetz nicht vorgesehenen Zugang zu einer weiteren Instanz. Vielmehr ist der Verfassungsverstoß durch das Gericht, das ihn begangen hat, auf eine Gegenvorstellung hin zu korrigieren. Für den Fall, dass das Gericht einen Verfassungsverstoß nicht ausräumt, kommt allein die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts im Wege der Verfassungsbeschwerde in Betracht (BGH 07.03.2002 – IX ZB 11/02 – BGHZ 150, 133; vgl. auch BAG 25.11.2008 – 3 AZB 64/08; BVerwG 16.05.2002 – 6 B 28/02 – NJW 2002, 2557; BFH 05.12.2002 – IV...