Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftsbetrieb. Betriebsrat. Konzern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG niedergelegten Voraussetzungen führen, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht vorliegen, zu einem Vermutungstatbestand, der jedoch widerlegbar ist.

2. Steht im Einzelfall fest, dass eine einheitliche Leitung, die sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstreckt, nicht vorhanden ist, bleibt für eine Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kein Raum.

3. In konzernangehörigen Unternehmen ist es erforderlich, die für solche Unternehmen typische, mehr oder weniger enge unternehmerische Zusammenarbeit von der institutionell vereinheitlichten, gemeinsamen einheitlichen Leitung der wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten abzugrenzen. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit, mag sie auch als eng bezeichnet werden können, genügt nämlich gerade nicht für die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebes im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne.

 

Normenkette

BetrVG § 1 Abs. 2, §§ 4, 18, 111; AktG § 18; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 31.07.2003; Aktenzeichen 1 BV 29/03)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 17.08.2005; Aktenzeichen 7 ABR 62/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.07.2003 abgeändert:

Der Antrag des Beteiligten zu 1. wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligte zu 2), im Folgenden auch TMD genannt, ist eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Beteiligten zu 3), im Folgenden auch TMO. Die Beteiligte zu 2) ist für das operative Mobilfunkgeschäft des T e G in D zuständig, mithin für den Betrieb der erforderlichen Hard- und Software, die Wartung und Pflege der Netzelemente, Vertrieb, Marketing und Kundenservice. Geschäftsgegenstand der Beteiligten zu 3) ist die Bündelung, Koordination und strategische Ausrichtung der internationalen Tätigkeiten des Konzerns T I. Als Konzernmuttergesellschaft hält die Beteiligte zu 3) neben der Beteiligten zu 2) weitere 100%-ige Beteiligungen an nationalen TMobile-Unternehmen in den U, G, Ö und den N sowie Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen an Mobilfunkunternehmen in K, T, P, R, W und der U. Zwischen der Beteiligten zu 3) und der Beteiligten zu 2) besteht ein konzernrechtlicher Beherrschungsvertrag sowie eine steuerrechtliche Organschaft im Sinne von § 18 AktG.

Die Zentralen der Beteiligten zu 2) und 3) sind in B angesiedelt. Nach Fertigstellung eines größeren Neubaus befinden sie sich im Wesentlichen auf einer einheitlichen, im internen Sprachgebrauch „Campus” genannten Liegenschaft. Die Büros der Beteiligten zu 3) sind im Neubau untergebracht, diejenigen der Beteiligten zu 2) verteilen sich auf den Neubau und den sog. Erstbau. Wegen des Belegungsplans im Einzelnen wird auf die Informationsschrift vom 27.06.2003 verwiesen (Bl. 351 d. A.). Die Liegenschaft wird einschließlich der zugehörigen Dienste von der Beteiligten zu 2) verwaltet. Die Beteiligte zu 3) zahlt für die Mitnutzung Entgelt.

Im Frühjahr 2004 waren bei der Beteiligten zu 2) nach deren eigenen Angaben insgesamt 8698 Mitarbeiter beschäftigt, davon 3128 am Standort B. Die Beteiligte zu 3) beschäftigte zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls nach eigenen Angaben insgesamt 883 Mitarbeiter, davon 816 in B. Nach Kenntnisstand des Antragstellers soll die Mitarbeiterzahl der Beteiligten zu 2) in Bonn bei rund 4000 Beschäftigten liegen, während bei der Beteiligten zu 3) zuletzt 910 betriebsratswahlberechtigte Beschäftigte registriert gewesen seien.

Die Beteiligte zu 3) rekrutierte ihr Personal in der Vergangenheit im Wesentlichen von der Beteiligten zu 2). Dabei wurden die Mitarbeiter in mehreren Wellen im Rahmen von Teilbetriebsübergängen gemäß § 613 a BGB von der Beteiligten zu 2) auf die Beteiligte zu 3) übergeleitet. Zuletzt wechselten in diesem Rahmen zum 01.01.2004 280 Mitarbeiter von der Beteiligten zu 2) in die Beteiligte zu 3).

Im Jahre 2002 war es dazu gekommen, dass 39 Beschäftigte des Bereichs Einkauf, die von TMD auf TMO übergeleitet worden waren, im Zuge nachträglicher Organisationsänderungen wieder zu TMD zurückkehrten, ebenso Anfang 2003 21 Mitarbeiter des Bereichs MBS.

Die jeweiligen arbeitsrechtlichen Verantwortlichkeiten für die Mitarbeiter der beiden Unternehmen sind unstreitig im Wesentlichen formal getrennt und werden von jeweils eigenständigen Personalabteilungen wahrgenommen, die auch räumlich getrennt im jeweils anderen der beiden Gebäude auf dem Campus untergebracht sind. Die Entgeltabrechnung wird jedoch in der Personalabteilung der TMDZentrale – auf der Basis einer entgeltlichen Dienstleistungsvereinbarung – auch für TMO, aber auch für alle anderen deutschlandweiten Standorte von TMD zentralisiert wahrgenommen. In dem dabei benutzten SAPSystem werden TMD und TMO als jeweils eigene Mandanten geführt. Im Bereich des Weiterbildungsmanagements werden die Personalmitarbeiter tei...

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