Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle zur Regelung von Privatfahrten mit dem Dienstwagen. Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats bei Regelung privater Nutzung von Dienstwagen. Streit über Errichtung einer Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
Für die Regelung der Privatnutzung von Dienstwagen ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig iSv. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
Normenkette
ArbGG § 100 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 87
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 29.10.2019; Aktenzeichen 8 BV 224/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29.10.2019 - 8 BV 224/19 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle.
Die Arbeitgeberin ist die deutsche Vertriebsgesellschaft für V -Lastkraftwagen. Sie hat ihre Vertriebsstruktur in regionale Vertriebsgebiete aufgeteilt. Der Antragsteller ist der für die Vertriebsregion Mitte errichtete fünfköpfige Betriebsrat. Dem Betrieb der Vertriebsregion Mitte sind ca. 60 Arbeitnehmer zugeordnet, von denen ca. 40 von der Arbeitgeberin einen Dienstwagen mit Privatnutzungsbefugnis zur Verfügung gestellt bekommen.
Mit E-Mail-Schreiben vom 12.06.2019 und 03.09.2019 forderte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Arbeitgeberin fruchtlos auf, mit dem Betriebsrat in Verhandlungen über eine bislang nicht existierende Betriebsvereinbarung zur Privatnutzung der Dienstwagen einzutreten. Eine Übernahme der Kosten des Verfahrensbevollmächtigten als externem Sachverständigen lehnte die Arbeitgeberin ab.
Daraufhin fasste der Betriebsrat den Beschluss, das Einigungsstelleneinsetzungsverfahren einzuleiten. Mit E-Mail-Schreiben vom 11.09.2019 schlug der Betriebsrat der Arbeitgeberseite vor, eine Einigungsstelle unter Vorsitz von Frau Dr. M und mit jeweils drei Beisitzern zu errichten. Zugleich forderte er die Arbeitgeberin auf, binnen drei Tagen mitzuteilen, ob damit Einverständnis bestehe. Eine Reaktion der Arbeitgeberseite erfolgte nicht.
Mit seinen am 16.10.2019 bei dem Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten Anträgen begehrt der Betriebsrat die gerichtliche Einsetzung der Einigungsstelle. Er leitet ein Mitbestimmungsrecht bezüglich des Regelungsgegenstandes aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ab und hat vorgetragen, die Arbeitgeberin habe Verhandlungen nicht gewollt und ihn bislang mit unterschiedlichen Vorwänden vertröstet.
Im auf den 29.10.2019, 11.10 Uhr, anberaumten Anhörungstermin war die Arbeitgeberin nicht vertreten, nachdem sie mit einem bei dem Arbeitsgericht an diesem Tag um 10.31 Uhr eingegangenen Telefax um eine Terminverlegung gebeten hatte, weil ihre anwaltliche Terminvertreterin überraschend erkrankt sei.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- zur Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlung zwecks Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Überlassung von Dienstwagen zur Privatnutzung FrauDr. M , L GmbH, F straße , B , zu bestellen,
- die Zahl der Beisitzer auf jeweils zwei festzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Einigungsstelle mit einem am selben Tag verkündeten Beschluss entsprechend den Anträgen des Betriebsrats eingesetzt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet. Die Einigungsstelle sei für den Regelungsgegenstand nicht offensichtlich unzuständig. Der Umfang des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Ausgestaltung von Regelungen zur Dienstwagennutzung sei zwar bislang noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gewesen. Es sei jedoch im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung anerkannt, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats dann begründet werde, wenn der Arbeitgeber eine Privatnutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs einräume. Im vorliegenden Fall würden die Dienstwagen auch unter kollektiven Gesichtspunkten zur Verfügung gestellt, da von den 60 Arbeitnehmern nach dem unbestrittenen Vortrag des Betriebsrats nur die "Verkäufer" bzw. "Verkaufsleiter" ein Fahrzeug zur Privatnutzung erhalten hätten. Die vorgerichtlichen Verhandlungen der Betriebsparteien seien als gescheitert anzusehen, da die Arbeitgeberseite über Monate hinweg auf entsprechende Aufforderung des Betriebsrats keine konkreten Verhandlungen aufgenommen habe. Die vom Betriebsrat vorgeschlagene Vorsitzende erfülle die Voraussetzungen des§ 76 BetrVG. Sie sei eine unparteiische und erfahrene Einigungsstellenvorsitzende. Die Zahl von zwei Beisitzern entspreche der Regelbesetzung im Einigungsstellenverfahren. Der Pflicht zur Anhörung der Arbeitgeberin sei auf Grund der am 22.10.2019 - und damit deutlich unter Wahrung der gesetzlichen verkürzten Ladungsfrist von 48 Stunden (§ 100Abs. 1 Satz 4 ArbGG) - erfolgten Ladung nebst Zustellung der Antragschrift Genüge getan. Eine Vertagung des Termins sei in Anbetracht der kurzen gesetzlichen Fristen zum Abschluss des besonders beschleunigten Verfahrens nach § 100 ArbGG nicht mehr in Betracht gekommen.
Der Beschluss ist der Arbeitgeberin am 08.11.2019 zugestellt w...