Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsstellung des Betriebsrats hinsichtlich der Einsichtnahme in die E-Mail-Korrespondenz von nicht leitenden Arbeitnehmern
Leitsatz (amtlich)
1. Will ein Arbeitgeber aus Anlass von Vorwürfen gegen die Geschäftsführung im Rahmen einer internen Untersuchung die E-Mail-Korrespondenz von nicht leitenden Arbeitnehmern überprüfen, hat er gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.
2. Verstößt der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht, kann der Betriebsrat von ihm Auskunft über die Namen der betroffenen Arbeitnehmer, die Mitteilung des personenbezogenen Anlasses für deren Überprüfung sowie künftige Unterlassung beanspruchen.
3. Zur Beseitigung der Folgen des mitbestimmungswidrigen Verhaltens kann der Betriebsrat zudem verlangen, dass der Arbeitgeber auf mit der Untersuchung beauftragte Dritte dahingehend einwirkt, dass sie die an sie weitergeleiteten Daten löschen und Ausdrucke vernichten.
4. Der Beseitigungsanspruch des Betriebsrats besteht nicht, soweit der Arbeitgeber ein schützenswertes Interesse an der Verwertung der Daten in einer rechtlichen Auseinandersetzung hat. Anderenfalls liefe der Beseitigungsanspruch auf ein Beweisverwertungsverbot hinaus, das weder Gegenstand einer wirksamen betrieblichen Regelung sein kann noch mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruch durchsetzbar ist.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 26.06.2018; Aktenzeichen 16 BV 327/17) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 26.06.2018, Az. 16 BV 327/17, teilweise abgeändert.
Der Antrag zu 2. wird zurückgewiesen.
II.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligte zugelassen.
Gründe
I.
Die Arbeitgeberin betreibt den Flughafen K und beschäftigt regelmäßig ca. 1.800 Arbeitnehmer.
Sie schloss mit dem bei ihr gebildeten 19-köpfigen Betriebsrat am 25.06.2010 eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnischen Systemen (ICT-Systeme), die auszugsweise wie folgt lautet:
§ 10 Leistungs- und Verhaltenskontrolle, Arbeitnehmer/innen-Datenschutz
(...)
2.
Leistungs- und Verhaltenskontrollen i. S. d. § 87 (1) Nr. 6 BetrVG sind unzulässig.
Abweichungen hiervon können in gesonderten Betriebsvereinbarungen geregelt werden.
(...)
5.
Für Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gilt das BDSG, insbesondere § 32 BDSG, in seiner jeweils gültigen Fassung. Bei drohenden Sicherheitsgefährdungen, die ein sofortiges Handeln notwendig machen, erfolgt nachträglich und unverzüglich die Information des Betriebsrates.
Nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG dürfen Kontrollmaßnahmen zur Aufdeckung von Straftaten nur erfolgen, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Aufdeckung erforderlich ist, und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
(...)
11.
Werden Externe mit der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von mitarbeiterbezogenen Daten beauftragt, ist die Einhaltung geltender Vereinbarungen und Gesetze vertraglich sicherzustellen.
(...)
§ 12 Überwachung
Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die für die Überwachung der Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung erforderlichen Informationen und Unterlagen vorzulegen. Ihm ist auf Antrag jederzeit Zugang zu ICT-Systemen zu gewähren.
Gemäß § 4 der Rahmenbetriebsvereinbarung 01/2015 zur Nutzung von Kommunikationssystemen toleriert die Arbeitgeberin die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts insoweit, als dienstliche Belange nicht beeinträchtigt werden, die technischen Ressourcen nur in einem geringen und vernachlässigbarem Umfang belastet werden und der Arbeitgeberin dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Die Arbeitgeberin überprüfte im Herbst 2017 Vorwürfe gegen den zwischenzeitlich ausgeschiedenen ehemaligen Geschäftsführer G . Ausweislich der lokalen Presseberichterstattung soll der Flughafen einem Frachtunternehmen für eine angemietete Fläche zu viel gezahlt und Rechnungen dieses Unternehmens ohne Gegenleistung beglichen haben. Arbeitnehmer sollen über einen langen Zeitraum freigestellt worden sein. Zudem soll Herr für ein privat gemietetes Flugzeug zu wenig gezahlt haben. Der Aufsichtsrat der Arbeitgeberin fasste in einer außerordentlichen Sitzung vom 09.11.2017 den Beschluss, den Geschäftsführer G zu beurlauben und interne Ermittlungen durchzuführen, die durch die Rechtsanwaltskanzlei H und das Wirtschaftsprüfungsunternehmen E begleitet wurden. Im Zuge der Ermittlungen wurde seitens der A...