Entscheidungsstichwort (Thema)
Informations- und Kommunikationstechnik für Betriebsratsmitglieder. Anspruch des Betriebsrats als Gremium. Unterlassungsanspruch aus § 78 S. 1 BetrVG. Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen der Betriebsratsarbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betriebsrat kann für jedes seiner Mitglieder einen arbeitsplatzbezogenen Internetzugang und die Teilhabe am "externen" elektronischen Postverkehr verlangen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben erforderlich ist.
2. Es obliegt allein der Entscheidung des Betriebsratsgremiums, auf welche Weise und mit welchen Informationsquellen er seinen Mitgliedern den zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Internetzugang eröffnen will und ggf. gemäß § 33 BetrVG einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Das einzelne Betriebsratsmitglied ist nicht legitimiert, für sich einen solchen Internetzugang einzuklagen.
3. Einem Betriebsratsmitglied kann bei einer Störung oder einer Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber nur ein Unterlassungsanspruch aus § 78 Satz 1 BetrVG zustehen. Die Unterlassungsverpflichtung ist in der Vorschrift zwar nicht ausdrücklich geregelt. Sie folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern.
4. Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ist Teil der Begründetheit des Unterlassungsbegehrens aus § 78 Satz 1 BetrVG. Das gilt auch dann, wenn in der Unterlassungsvorschrift die Besorgnis künftiger Beeinträchtigung nicht ausdrücklich normiert ist.
Normenkette
BetrVG § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 3 S. 1, §§ 33, 40 Abs. 2, § 78 S. 1; DSGVO § 15 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 19.07.2022; Aktenzeichen 5 BV 11/22) |
Tenor
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen separaten Internetzugang für die Antragstellerin und über die Zulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung ihrer E-Mail-Kommunikation durch die Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin ist ein sog. Multi-Channel-Einzelhändler für Sportsfashion mit ca. 50.000 Mitarbeitern in über 2.400 Filialen in Europa, davon ca. 1.000 Mitarbeiter in ca. 70 Filialen in Deutschland. Die Antragstellerin ist Leiterin der Filiale LP 12 in B und Mitglied des Regionalbetriebsrats Ost, der für sämtliche Filialen der Arbeitgeberin in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen gebildet wurde.
Der Antragstellerin wurde von der Arbeitgeberin eine personalisierte Mailadresse (a @ .com) zur Verfügung gestellt, die sie auch für ihre Betriebsratstätigkeit nutzt.
Die Antragstellerin begehrte von der Arbeitgeberin mit zwei Schreiben vom 20.08.2021 eine Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO sowie - mit gesondertem Schreiben - die Erteilung von Kopien ihrer Personalakte nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO. Für Letzteres setzte sie der Arbeitgeberin eine Frist bis zum 31.08.2021. Die Auskunftserteilung erwartete die Antragstellerin ausweislich des Schreibens binnen Monatsfrist.
Unter dem 10.09.2021 meldete sich der Personalleiter der Arbeitgeberin per Mail bei der Antragstellerin und bat um Präzisierung, ob ihr Auskunftsbegehren die Daten als Privatperson oder auch als Kundin umfasse. Die Antragstellerin antwortete per E-Mail am 17.09.2021, dass ihr Auskunftsbegehren umfassend sei und dass sie "die Daten als Privatperson und auch ... als Kundin" möchte. Nachdem die Arbeitgeberin der Antragstellerin ua. eine vollständige Kopie der Personalakte übermittelt hatte, erhielt sie seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ein Schreiben vom 21.10.2021, mit dem die Antragstellerin wegen angeblich ausgebliebener bzw. nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgter Auskunft als Ersatz für den angeblich erlittenen immateriellen Schaden einen Schadensersatz in Höhe von EUR 5.000,00 zuzüglich Zinsen forderte. Zudem verwies die Antragstellerin ua. darauf, dass die Auskunft deshalb unvollständig sei, weil der E-Mail-Verkehr zwischen ihr und der Arbeitgeberin bzw. Dritten nicht vollständig übermittelt worden sei.
Unter dem 16.11.2021 übermittelte die Arbeitgeberin der Antragstellerin ein von dem Personalleiter May unterzeichnetes Schreiben, dem ua. Ausdrucke der E-Mail-Korrespondenz der Antragstellerin der letzten 12 Monate (von September 2020 bis August 2021) beigefügt waren. Dieses Schreiben enthielt den Hinweis, dass das E-Mail-Postfach der Antragstellerin nur zur betrieblichen Nutzung zur Verfügung stehe und dass es ihr nicht erlaubt sei, es auch für private Zwecke zu nutzen. Gleichwohl hätten sich in ihren E-Mails und deren Anhängen teilweise nicht betriebsbezogene Inhalte befunden, die sie, die Arbeitgeberin, nicht zur Kenntnis genommen und daher auch nicht geschwärzt habe. Das Schreiben enthielt ferner die Aufforderung an die Antragstellerin, solche Inhalte unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 22.11.2021 zu löschen ...