Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrung der Anfechtungsfrist gem. § 22 Abs. 2 S. 2 MitbestG. Anforderungen an die Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Einhaltung der zweiwöchigen Anfechtungsfrist gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 MitbestG genügt der rechtzeitige Eingang der ordnungsgenmäßen Anträge beim Arbeitsgericht. Auf den Zeitpunkt der Zustellung kommt es nicht an. § 167 ZPO ist nicht anwendbar.
2. Nach § 79 Abs. 1 3. WO MitbestG hat der Hauptwahlvorstand die Stimmen öffentlich auszuzählen. Die Stimmauszählung ist nicht öffentlich erfolgt, wenn die wahlberechtigten Arbeitnehmer nicht über Ort, Tag und Zeit der Stimmauszählung informiert worden sind.
Normenkette
MitbestG § 22 Abs. 2 S. 2; ZPO § 167; MitbestGWO 3 § 79 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 30.10.2013; Aktenzeichen 13 BV 103/13) |
Nachgehend
Tenor
- Die Beschwerden gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 30. Oktober 2013- 13 BV 103/13 - werden zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Beteiligten zu 5).
In dem Konzern, der aus zahlreichen Gesellschaften besteht, werden in Deutschland insgesamt ca. 65.000 Arbeitnehmer beschäftigt. In den bei ihm gebildeten Aufsichtsrat sind zehn Mitglieder der Arbeitnehmer zu wählen.
Der Vorstand der Beteiligten zu 5) teilte am 12. Juni 2012 mit, dass die Amtszeit der neu zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer mit dem Ende der Hauptversammlung 2013 beginnen werde. Die Wahl wurde am 9. März 2013 durchgeführt. Sie erfolgte durch Delegierte. Die Stimmenauszählung erfolgte am gleichen Tag in einem Hotel in F . Das Ergebnis der Wahlen wurde am 15. März 2013 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Vor der Wahl hatte der Hauptwahlvorstand die Delegierten gemäß § 77 Abs. 1 Nr. 7 MitbestG über Ort, Tag und Zeit der Delegiertenversammlung und der öffentlichen Stimmauszählung informiert. Eine Bekanntmachung von Ort und Zeit der Wahl und der Auszählung der Stimmen an die Arbeitnehmer erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz vom 2. April 2013, der am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen ist, haben vier Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Wahl geltend gemacht. In der Antragschrift ist lediglich die Beteiligte zu 5) als weitere Beteiligte benannt worden. Dieser ist die Antragschrift am 11. April 2013 zugestellt worden. Der Antragsschrift ist eine Kopie der Veröffentlichung im Bundesanzeiger, in der die gewählten Aufsichtsratsmitglieder und die Ersatzmitglieder aufgeführt sind, beigefügt gewesen.
Mit Schriftsatz vom 17. April 2013 hat der neue Prozessbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 4) darauf hingewiesen, dass weitere Beteiligungen vorzunehmen seien. Das Arbeitsgericht hat daraufhin die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer und ihre Ersatzmitglieder beteiligt und den bereits zuvor Beteiligten aufgegeben, die ladungsfähigen Anschriften mitzuteilen.
Mit Schriftsätzen vom 26. April 2013 und 17. Mai 2013 hat sich Rechtsanwältin vom Bruch für fünf Beteiligte bestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 4) hat unter dem 2. Mai 2013 mitgeteilt, dass diesen lediglich drei Privatadressen bekannt seien. Drei Beteiligte seien über v bzw. die V C e.V. zu laden, die weiteren Beteiligten über die Beteiligte zu 5). Die Beteiligte zu 5) hat am 10. Mai 2013 darauf verwiesen, dass vier Beteiligte über sie zu laden seien.
Die vollständige Zustellung der Schriftsätze und des erstinstanzlichen Beschlusses ist zunächst nicht an die Beteiligten zu 10) bis 24) erfolgt. Sie ist durch das Landesarbeitsgericht nachgeholt worden. Die Zustellung an das Aufsichtsratsmitglied S , der Beteiligter zu 21) ist, datiert auf den 24. Oktober 2014 (Bl. 637 d. A.). Die zuletzt vorgenommene Zustellung ist an den Beteiligten zu 22), der Ersatzmitglied ist, am 20. Januar 2015 (Bl. 664 d. A.) vorgenommen worden.
Die Beteiligten zu 1) bis 4) haben mehrere Wahlfehler geltend gemacht. Es sei schon zu Fehlern bei der Delegiertenwahl gekommen. Zudem sei aus zwei Gründen gegen das in § 79 MitbestG verankerte Gebot der öffentlichen Stimmauszählung verstoßen worden. Zum einen sei darauf zu verweisen, dass die Mitarbeiter über Ort und Zeitpunkt der Stimmauszählung nicht unterrichtet worden seien. Die Mitteilung an die Delegierten sei nicht ausreichend. Eine Beschränkung der Öffentlichkeit auf die Delegierten sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der zweite Verstoß ergebe sich daraus, dass zur Stimmauszählung lediglich Personen zugelassen worden seien, die über eine entsprechende ID-Card verfügt hätten. Einem hauptamtlichen Vertreter von v sei der Zutritt ausdrücklich verweigert worden. Auch sei die Stimmauszählung nicht unverzüglich erfolgt. Zwischen dem Ende des Wahlgangs und dem Beginn der Auszählung seien 20 Minuten verstrichen. Zwischen den Delegierten und den Auszählun...