Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Auferlegung einer Verzögerungsgebühr
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Verzögerungsgebühr gem. § 38 GKG kann nicht festgesetzt werden, weil eine Prozesspartei den Anforderungen des Gerichts zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag trotz Erinnerung nicht nachgekommen ist. Denn eine Prozesspartei ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, sich überhaupt zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag zu äußern.
2. Das gilt auch im Falle der Säumnis mit anschließender Erweiterung der Klage, da es sich insoweit um einen selbständigen prozessualen Eingriff handelt, der nicht als verspätetes Angriffsmittel zurückgewiesen werden kann.
Normenkette
GKG § 38
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 01.08.2017; Aktenzeichen 3 Ca 2467/16) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 23.02.2017; Aktenzeichen 3 Ca 2467/16) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Klägerin werden die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.02.2017 und 01.08.2017 - 3 Ca 2467/16 - aufgehoben.
Gründe
I. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23.02.2017 der Klägerin eine Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG auferlegt, weil die Klägerin den Anforderungen des Gerichts zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag trotz Erinnerung nicht nachgekommen sei.
Mit Beschluss vom 01.08.2017 hat das Arbeitsgericht der Klägerin eine weitere Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG auferlegt, weil die Klägerin im Kammertermin am 18.05.2017 säumig war.
Den Beschwerden der Klägerin hat es nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. 1. Die Beschwerden der Klägerin sind nach § 69 GKG statthaft und wurden gemäß §§ 69, 66 Abs. 2, Abs. 3 GKG form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerden sind begründet.
a) Der Beschluss vom 23.02.2017 war aufzuheben, denn die Klägerin war zum einen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, sich überhaupt zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag zu äußern. Sie hat keine gesetzliche Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 1 ZPO) verletzt. Die nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 GKG anwendbare Vorschrift des § 38 GKG dient der Prozesswirtschaftlichkeit, sie ist eine Folge der Prozessförderungspflicht der Parteien (Hartmann, 47. Auflage, § 38 GKG Rdn. 2 m.w.N.). Die Förderungspflicht ist die Pflicht, nach besten Kräften dazu beizutragen, dass das Gericht den Prozessstoff unverzüglich vollständig sammeln kann (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 76. Auflage, Grdz. § 128 ZPO Rdn. 12).
Zum anderen wurde durch die unterbliebene Stellungnahme keine Vertagung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig. Die vom Arbeitsgericht angesprochene Verzögerung hinsichtlich der Datierung des anberaumten Terminstags wird nicht durch § 38 Satz 1 GKG erfasst.
b) Der Beschluss vom 01.08.2017 war ebenfalls aufzuheben, denn es mangelt an einer Verzögerung des Rechtsstreits durch die Säumnis im Termin vom 18.05.2017. Es kann dahin stehen, ob und unter welchen Voraussetzungen im Falle der Säumnis eine Verzögerungsgebühr verhängt werden kann (vgl. zum Streitstand: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.02.2015 - I-6 W 1715, 6 W 1/15 - m. w. N.). Zwar haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihre Säumnis nicht entschuldigt und ein Einspruchstermin gemäß § 341a ZPO wurde erforderlich. Jedoch ist der Klägerin nicht zu widerlegen, dass eine Klageerweiterung beabsichtigt war. Diese ist auch zeitnah unter dem 01.06.2017 unter Erweiterung der Streitgegenstände erfolgt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klageerweiterung allein zum Zwecke der Vermeidung der Verhängung einer erneuten Verzögerungsgebühr anhängig gemacht wurde, bestehen keine. Die Änderung oder Erweiterung einer Klage stellt einen selbstständigen prozessualen Angriff dar, der nicht als verspätetes Angriffsmittel (§§ 282, 296 ZPO) zurückgewiesen werden kann (vgl. z.B.: BGH, Beschl. v. 20.09.2016- VIII ZR 247/15 - m. w. N.). Hätte die Klägerin ihre Klage bereits im Termin vom 18.05.2017 erweitert, so wäre ebenfalls eine Vertagung bzw. die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung mit ergänzenden prozessleitenden Maßnahmen zur Wahrung rechtlichen Gehörs nötig gewesen, so dass die eingetretene Verzögerung durch die Bestimmung eines weiteren Verhandlungstermins nicht ursächlich auf die Säumnis im Termin am 18.05.2017 zurückzuführen ist.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI12439488 |