Entscheidungsstichwort (Thema)

Anzahl der Beisitzer für eine Einigungsstelle zur Gefährdungsbeurteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Anzahl der Beisitzer einer Einigungsstelle zur Gefährdungsbeurteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zahl der Beisitzer für eine Einigungsstelle zu Gefährdungsbeurteilungen ist auf jeweils drei festzusetzen, da eine intensive Auseinandersetzung mit den betrieblichen Gegebenheiten und jedem einzelnen Arbeitsplatz erforderlich ist und die Einigungsstelle in Form eines eigenen Konzepts selbst eine Regelung zur Ermittlung möglicher Gefährdungen treffen muss.

 

Normenkette

BetrVG § 76 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 02.08.2017; Aktenzeichen 17 BV 185/17)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 02.08.2017 - Az. 17 BV 185/17 - abgeändert.

Die Anzahl der Beisitzer wird für jede Seite auf drei bestimmt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch über die Zahl der Beisitzer einer Einigungsstelle zum Thema "Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung".

Die Beteiligten hatten sich in dem von dem Antragsteller eingeleiteten Einigungsstelleneinsetzungsverfahren durch Teilvergleich vom 26.07.2017 auf den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgericht a.D. Dr. Kalb als Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Thema "Gefährdungsbeurteilungen" für die Filiale 2 in K , einem Betrieb des Bekleidungseinzelhandels mit ca. 65 Arbeitnehmern, entscheiden soll, geeinigt.

Der Betriebsrat hat im Übrigen beantragt,

die Anzahl der Beisitzer pro Betriebspartei auf drei festzulegen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen und die Anzahl der Beisitzer pro Betriebspartei auf zwei festzulegen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 02.08.2017 die Anzahl der Beisitzer pro Betriebspartei auf zwei festgelegt und den Antrag des Betriebsrats im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Festlegung von drei Beisitzern je Betriebspartei nicht erforderlich sei, da es um eine überschaubare Anzahl an Tätigkeitsbereichen bei der Arbeitgeberin gehe. Nur vier unterschiedliche Arbeitsbereiche seien auf ihre physikalischen und psychischen Gefährdungen zu untersuchen. Zudem werde in einem Einzelhandelsbetrieb keine gefahrgeneigte Arbeit verrichtet. Im Vergleich zu produzierenden Betrieben sei die technische Gefährdung überschaubar. Der Betriebsrat habe nicht dargelegt, dass die psychische Belastung der Arbeitnehmer über eine durchschnittliche hinausgehe. Auch unter Berücksichtigung der Handlungsfähigkeit der Einigungsstelle, der entstehenden Kosten und der Betriebsgröße sei eine Erweiterung auf drei Beisitzer pro Seite nicht erforderlich. Zwar seien bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung eine Vielzahl von Normen und Regelungen zu beachten. Es bleibe der Einigungsstelle aber unbenommen, einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen.

Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 04.08.2017 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 16.08.2017 nebst Begründung beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Das Arbeitsgericht habe - so die Ansicht des Betriebsrats - die Regelung des § 5 Abs. 2 ArbSchG verkannt. Danach sei lediglich bei gleichartigen Arbeitsbedingungen die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend. Keinesfalls könne aber davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Gefährdungsanalyse jeweils nur ein Arbeitsplatz der Bereiche Verkauf, Kasse, Visual Merchandising und Lager untersucht werde. Die Festlegung, was gleichartige Tätigkeiten bzw. gleichartige Arbeitsbedingungen seien, müsse vielmehr von der Einigungsstelle vorgenommen werden. Im Bereich der psychischen Gefährdungsanalyse sei es unerlässlich, die Belastung hinsichtlich aller Arbeitnehmer des Betriebes zu ermitteln, um eine möglichst objektive Beurteilung vornehmen zu können. Hinzu komme, dass die Belastungen in den einzelnen Abteilungen der betroffenen Filiale unterschiedlich sein könnten und häufig auch seien. Die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass bei der Arbeitgeberin keine gefahrgeneigten Arbeiten verrichtet würden, sei pauschal und unzutreffend. Dies könne erst nach Durchführung der Gefährdungsbeurteilung entschieden. Insoweit verkenne das Arbeitsgericht, dass sich eine Gefahrgeneigtheit gerade auch aus psychischen Belastungen ergeben könnte. Der Nachweis über psychische Belastungen sei erst nach Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung möglich. Hinzu komme, dass das Thema Gefährdungsbeurteilung zu den besonders komplexen Aufgaben im Rahmen des gesamten Einigungsstellenspektrums gehöre und eine besonders umfangreiche und schwierige Spezialmaterie darstelle. Ohne arbeitswissenschaftlichen bzw. arbeitspsychologischen Sachverstand in Einigungsstelle werde die Betriebsratsseite nicht der Lage sein, überhaupt einen eigenen Regelungsvorschlag vorzulegen. Eine Begrenzung auf zwei Beisitzer würde dazu führen, dass die Einigungsstelle ihren Regelungsauftrag nicht sinnvoll ...

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