Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer. Haftungsausschluss aus SGB VII. Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Haftungssperre gemäß § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII setzt voraus, dass die Schädigung durch ein Unternehmensorgan erfolgt ist. Ist dies nicht der Fall, kann eine Haftungseinschränkung nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs in Betracht kommen.

2. Eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3, 3 Alt. SGB VII erfordert, dass Unternehmen sich bewusst und gewollt im Betriebsablauf unterstützen. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen nicht.

3. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII findet keine Anwendung auf eine Haftung des Unternehmers gemäß §§ 823 Abs. 1, 31 BGB wegen der Verletzung eigener Verkehrssicherungspflichten.

 

Normenkette

ZPO a.F. § 114 S. 1; SGB VII § 105 Abs. 1 S. 1, § 106 Abs. 3 Alt. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 21.10.2013; Aktenzeichen 15 Ca 6881/13)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.10.2013 (15 Ca 6881/13) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsteller wird für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2) mit den Anträgen zu 1), 4) und 2) - soweit künftige materielle und immaterielle Schäden festgestellt werden sollen - Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den ersten Rechtszug gewährt.

Zur Wahrung der Rechte wird ihm Rechtsanwalt G aus K beigeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gerichtsgebühren für die sofortige Beschwerde werden auf die Hälfte reduziert.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller war im Mai 2010 als Arbeitnehmer der Firma M GmbH auf der Baustelle "M " in K tätig. Seine Arbeitgeberin war dort als Subunternehmerin der Antragsgegnerin zu 2) mit Abbrucharbeiten beauftragt. Der Antragsteller erlitt am 03.05.2010 durch eine einstürzende Wand einen Unfall mit schweren Verletzungen, die bis heute nicht vollständig ausgeheilt sind.

Der Antragsteller beabsichtigt, im Klagewege Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer seiner Arbeitgeberin, den Antragsgegner zu 1), und gegen die Antragsgegnerin zu 2) geltend zu machen. Er begehrt angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 75.000,00 €, nebst Zinsen seit dem 26.05.2011 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von jeweils 940,10 €. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Antragsgegner verpflichtet sind, sämtliche künftigen immateriellen Schäden sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist. Außerdem will er von der Antragsgegnerin zu 2) die Angabe von Namen und Anschrift sowie Qualifikation des Baggerfahrers, der am 03.05.2010 die Wand zum Einsturz brachte.

Der Antragsteller hat vorab um Bewilligung von Prozesskostenhilfe gebeten und seinen Antrag zunächst beim Landgericht Köln eingereicht. Nach Verweisung des Antrags mit Beschluss vom 30.07.2013 hat das Arbeitsgericht Köln ihn mit Beschluss vom 21.10.2013 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die vom Kläger verfolgten Ansprüche seien gemäß § 104 Abs. 1 i. V. m. § 106 Abs. 3 S. 3 SGB VII ausgeschlossen.

Gegen den am 24.10.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 06.11.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht am 07.11.2013, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, eine gemeinsame Betriebsstätte läge nicht vor, da seine Arbeitgeberin und die Antragsgegnerin zu 2) auf der Baustelle eigenständige, voneinander abgegrenzte Tätigkeitsbereiche gehabt hätten. Außerdem sei von Vorsatz in Rechtssinne auszugehen, denn die Antragsgegner hätten den Unfall und die Folgen billigend in Kauf genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.01.2014 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln ist gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2 u. 3 ZPO,569 Abs. 2 ZPO, 11 a) Abs. 3 ArbGG (in der gemäß § 40 EGZPO für das Verfahren weiterhin maßgeblichen früheren Fassung) zulässig.

2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg.

a) Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sieht § 114 S. 1 ZPO a. F. in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise vor, dass für die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehen muss (BVerfG v. 08.12.2009 - 1 BvR 2733/06 - WM 2010, 208 m. w. N.). Von einer hinreichenden Erfolgsaussicht für eine Rechtsverfolgung ist dann auszugehen, wenn bei einer vorläufigen Prüfung der Parteivortrag zumindest für vertretbar gehalten und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der B...

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