Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsatz einer im Kündigungsschutzprozess vereinbarten und ausgezahlten Abfindung für die Prozesskosten. Höhe des Schonvermögens
Leitsatz (amtlich)
1. Eine im Kündigungsschutzprozess vereinbarte und ausgezahlte Abfindung ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO als Vermögen einzusetzen, soweit das der Partei nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO iVm. § 90 SGB XII zu belassende Schonvermögen unangetastet bleibt.
2. Nach Anhebung des Vermögensfreibetrags von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe in § 1 der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 2.600,00 EUR auf 5.000,00 Euro können die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Kosten nicht mehr typisierend in Höhe eines Schonbetrages für Ledige zusätzlich von der Abfindung abgesetzt werden (entgegen LAG Hamm, Beschluss vom 26. Januar 2018 - 5 Ta 561/17, LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. April 2018 - 7 Ta 37/18).
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 22.01.2018; Aktenzeichen 10 Ca 3495/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 22.01.2018- 10 Ca 3495/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Klägerin zugelassen.
Gründe
I.
Mit ihrer am 22.05.2017 bei dem Arbeitsgericht Köln eingegangenen, der Beklagten am 30.05.2017 zugestellten und mit Schriftsatz vom 24.10.2017 erweiterten Klage hat die Klägerin die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 09.05.2017, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses sowie Annahmeverzugsansprüche für die Monate Juni bis November 2017 geltend gemacht. Im Kammertermin vom 14.12.2017 haben sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2017, auf die Zahlung der Vergütung bis zu diesem Zeitpunkt, auf die Erteilung von Arbeitspapieren, die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.200,00 EUR netto sowie auf die Erledigung der Urlaubsansprüche geeinigt.
Mit Beschluss vom 22.01.2018 hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin abgewiesen, da ihr aufgrund des Abfindungsanspruchs nach Abzug des Schonvermögens ein ausreichender Betrag verbleibe, mit dem sie die Kosten der Prozessführung decken könne.
Der Beschluss ist der Klägerin am 24.01.2018 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist am 26.01.2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht ihren Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Denn die Klägerin kann die Kosten des Rechtsstreits aufgrund der von der Beklagten gezahlten Abfindung in Höhe von 10.200,00 EUR aus ihrem Vermögen tragen.
1.) Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht iSd. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hatte.
a) Denn das Arbeitsverhältnis fiel unter den persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (§§ 1, 23 KSchG), da die Klägerin länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt war und schlüssig behauptet hatte, dass diese regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Zwar hatte die Beklagte substantiiert dargelegt, dass sie in ihrer Kölner Filiale lediglich vier Vollzeitkräfte, zwei Teilzeitkräfte mit einer Wochenarbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden und eine Teilzeitkraft mit einer Wochenarbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden beschäftigt. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Kölner Betriebsstätte um einen eigenständigen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG handelt. Ein Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG ist die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt. Dies setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dabei dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (BAG, Urteil vom 02. März 2017 - 2 AZR 427/16 -, Rn. 15, juris). Für das Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes trägt die Klägerin zwar grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast dürfen an ihre Darlegungslast zur betrieblichen Organisation aber keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn der Arbeitnehmer die äußeren Umstände schlüssig darlegt, di...