Entscheidungsstichwort (Thema)
Tendenzschutz. Zeitungszustellung. Feiertagsarbeit
Leitsatz (amtlich)
Kein Tendenzschutz für vom Verlagsunternehmen konzernabhängiges Unternehmen der Zeitungszustellung hier: Anordnung von und Ausgleich für Feiertagsarbeit
Normenkette
BetrVG § 87 I Nrn. 2-3, § 118; ArbZG § 11 III, § 12
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 29.04.1997; Aktenzeichen 4 BV 11/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen vom 29.04.1997 – 4 BV 11/97 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um das Mitbestimmungsrecht des antragstellenden Betriebsrats bei der Anordnung von Arbeitszeit an Werktags-Feiertagen und bei der Festlegung von Ersatzruhetagen für die Feiertagsarbeit gemäß § 11 Abs. 3 ArbZG.
Die Arbeitgeberin befaßt sich mit der Zustellung von Tageszeitungen. Der Betriebsrat beruft sich auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG, das die Arbeitgeberin unter Berufung auf Tendenzschutz nach § 118 BetrVG verneint.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- der Arbeitgeberin unter Androhung eines Zwangsgeldes in gesetzlicher Höhe zu untersagen, einseitig Arbeitszeit an Wochen-Feiertagen, insbesondere am Donnerstag, dem 08. Mai 1997, und am Samstag, dem 01. November 1997, anzuordnen, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt zu haben,
- der Arbeitgeberin unter Androhung eines Zwangsgeldes in gesetzlicher Höhe zu untersagen, die Ersatzruhetage für die Feiertagsarbeit gemäß § 11 Abs. 3 ArbZG einseitig festzulegen, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt zu haben.
Die Arbeitgeberin hat Antragszurückweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 54-58 d. A.) wird verwiesen. Gegen den der Arbeitgeberin am 27.08.1997 zugestellten Beschluß hat sie am 25.09.1997 Beschwerde eingelegt, die am 23.10.1997 begründet worden ist. Sie bleibt bei ihrer Auffassung vom Tendenzschutz. Sie sei die 100 %ige Tochtergesellschaft des Verlages, dessen Tageszeitungen sie im Wesentlichen zustelle. Da hinsichtlich der Erscheinungsweise der Zeitungen Tendenzschutz bestehe, müsse er kraft Sachzusammenhangs auch für ihr wenn auch rechtlich selbständiges Zustellunternehmen gelten. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Zustellung würde sich sonst auf die mitbestimmungsfreie Erscheinungsweise der Zeitungen auswirken. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Regelung des Ersatzruhetages lehnt die Arbeitgeberin mit der Begründung ab, diese sei nach § 12 Abs. 1 ArbZG einem Tarifvertrag vorbehalten und könne daher nicht Gegenstand einer Regelung der Betriebsparteien sein.
Die Arbeitgeberin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er macht geltend, mit der 1990 vollzogenen Unternehmensaufspaltung in Verlag und vier rechtlich selbständige Zustellgesellschaften habe sich der Verlag des Tendenzschutzes für ihre Tochterunternehmen begeben. Da – unstreitig – der Verlag und die Zustellgesellschaft der Arbeitgeberin keinen gemeinsamen Betrieb bildeten, erstrecke sich der Tendenzschutz nicht auf den Zustellbetrieb. Das Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Ersatzruhetage nach § 11 Abs. 3 ArbZG werde durch § 12 ArbZG nicht berührt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß, die von den Beteiligten im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze und auf das Sitzungsprotokoll vom 24.09.1998 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Anträge des Betriebsrats sind in der im Termin über die Beschwerde zuletzt gestellten Fassung begründet. Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen stattgegeben. Das Beschwerdegericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung des § 543 Abs. 1 ZPO auf die Gründe der Vorinstanz Bezug. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:
1) Anordnung von Feiertagsarbeit
a) Gegenüber dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG (vgl. BAG Beschluß vom 25.02.1997 – 1 ABR 69/96 – AP 72 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) kann sich die Arbeitgeberin nicht mit Erfolg auf den Tendenzschutz berufen. Der Umstand, daß die Arbeitgeberin als Zustellunternehmen abhängige Gesellschaft in einem sogenannten Tendenzkonzern ist und für diesen arbeitet, führt nicht dazu, daß das Zustellunternehmen selbst Tendenzschutz genießt. Im Zustellunternehmen wird ebenso wenig wie im Druckunternehmen die Tendenz einer Zeitung erarbeitet. Für die Sonderstellung eines Unternehmens nach § 118 Abs. 1 BetrVG genügt es nicht, daß es lediglich für ein tendenzgebundenes Unternehmen tätig ist und z. B. durch Druck oder Zustell...