Entscheidungsstichwort (Thema)
Offensichtlichkeit. Bestellungsverfahren. Zuständigkeit der Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
Im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG gilt der Prüfungsmaßstab der Offensichtlichkeit nicht nur für die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle, sondern auch für alle anderen rechtlichen Vorfragen (hier: Wirksamkeit der Betriebsratswahl).
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 25.04.1996; Aktenzeichen 14 BV Ha 3/96) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 25.04.1996 verkündete Beschluß des Arbeitsgerichts Köln – 14 BV Ha 3/96 – unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen teilweise abgeändert:
Zur Vorsitzenden der Einigungsstelle zur Regelung der gleitenden Arbeitszeit in der Verwaltung des Betriebs „J F” des Antragsgegners wird die Richterin am Arbeitsgericht B, Arbeitsgericht Siegburg, bestellt.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG über die Einrichtung und Besetzung einer Einigungsstelle zur Regelung der gleitenden Arbeitszeit in der Verwaltung des Betriebs „J F „. Antragsteller ist der am 18.03.1993 gewählte Betriebsrat, der in der Folgezeit jedenfalls in personellen Angelegenheiten mit den Einschränkungen für Tendenzbetriebe beteiligt wurde. Der Antragsgegner, der satzungsgemäß Teil des Deutschen Nationalverbandes des Weltbundes der YMCA-Genf und darüber hinaus Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, hat die Auffassung vertreten, daß die Betriebsratswahl nichtig sei, weil gemäß § 118 Abs. 2 BetrVG nicht das Betriebsverfassungsgesetz, sondern das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht Anwendung finde.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 25.04.1996 den Vorsitzenden einer Einigungsstelle bestellt und die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festgesetzt.
Gegen den am 13.08.1996 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts hat der Antragsgegner am 26.08.1996 Beschwerde eingelegt, die auch sogleich begründet worden ist. Er meint, es sei offensichtlich, daß es sich bei ihm um eine diakonische Einrichtung und damit um Kirche i.S.d. § 118 Abs. 2 BetrVG handele. Er führe nicht nur in seinem Vereinsnamen den Hinweis auf eine christliche Einrichtung, sondern lebe seinen christlichen Auftrag auch inhaltlich. Spätestens seit seinem Schreiben an alle seine Einrichtungen, u.a. auch an das J F, vom 24.09.1993 zur fehlenden Rechtsgrundlage für Betriebsräte, allerspätestens mit dem Beschluß des LAG Hamm vom 12.07.1995 (3 TaBV 52/94) über die Nichtigkeit der Betriebsratswahl im J B, könne es keinem vernünftigen Zweifel mehr unterliegen, daß die Voraussetzungen des § 118 Abs. 2 BetrVG auf die Betriebe des Antragsgegners offensichtlich zuträfen. Ebenso offensichtlich sei, daß der Antragsgegner gemäß der Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland e.V. verpflichtet sei, Mitarbeitervertretungen nach Maßgabe des Kirchengesetzes über die Bildung von Mitarbeitervertretungen zu bilden, also Betriebsräte nicht dulden dürfe. Vorsorglich werde der vom Arbeitsgericht bestellte Vorsitzende abgelehnt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist zwar zulässig, weil sie gem. § 98 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch weitgehend erfolglos. Allein die Person für den Vorsitz der Einigungsstelle war neu zu bestimmen.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die vom Betriebsrat beantragte Einigungsstelle zu bilden ist. Auf seine Begründung, der das Beschwerdegericht folgt, wird zunächst Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 98 Abs. 2 S. 3, 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG). Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle kann mit Rücksicht auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht angenommen werden. Daran vermögen auch die mit der Beschwerde vorgetragenen Aspekte nichts zu ändern. Ergänzend ist lediglich auszuführen:
Wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle können die Anträge nach § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offenbar unzuständig ist die Einigungsstelle nur dann, wenn ihre Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint (vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 98 Rdnr. 11 m.w.N.).
Die sachliche Mitbestimmungszuständigkeit des Betriebsrats und damit auch der Einigungsstelle folgt hier ohne weiteres aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Einigungsstelle ist auch nicht etwa vom Verfahren her offensichtlich unzuständig, weil zwischen den Beteiligten überhaupt noch nicht über die regelungsbedürftige Materie verhandelt worden wäre (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LAG Schleswig-Holstein vom 17.11.1988 LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 13). § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG sieht nämlich vor, daß Arbeitgeber und Betriebsrat zuvor über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandelt und Vorsch...