Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliges Verfügungsverfahren über Unterlassungsansprüche des Betriebsrats wegen behaupteter Verletzungen von Mitbestimmungsrechten
Leitsatz (amtlich)
Bei der Feststellung, ob eine einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 940 ZPO) nötig erscheint, hat eine umfassende Interessenabwägung stattzufinden. Denn da das summarische Eilverfahren betriebsverfassungsrechtliche Meinungsverschiedenheit regelmäßig nicht abschließend klären kann, droht ein Auseinanderklaffen der materiellen und der prozessualen Rechtsstellung, wenn der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte sichernde Unterlassungsansprüche im Wege der einstweiligen Verfügung geltend macht. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass bei den Anforderungen, die an den Verfügungsgrund zu stellen sind, das Gewicht des drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für die arbeitgebende Partei und andererseits für die Belegschaft angemessen berücksichtigt werden (vgl. BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - 1 ABR 24/93 -, juris Rn. 44). Da einstweilige Verfügungen unvertretbare oder unzumutbare Verzögerungen bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen überbrücken sollen, kommt es insoweit darauf an, ob die glaubhaft gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige Regelung zu treffen
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 19.04.2024; Aktenzeichen 5 BVGa 4/24) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 19.04.2024 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch die zweitinstanzliche Antragserweiterung der Abweisung unterliegt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über Unterlassungsansprüche des Betriebsrats wegen behaupteter Verletzungen von Mitbestimmungsrechten gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) führt ein Einzelhandelsunternehmen in der Textilbranche und beschäftigt ca. 15.000-17.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In Deutschland betreibt sie ca. 400 Filialen, die jeweils als eigenständige Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes organisiert sind und jeweils von Store Managern geleitet werden. Darüber hinaus ist das Verkaufsgebiet in Deutschland in 14 Regionen, sogenannte Areas, aufgeteilt, denen die Filialen jeweils zugeordnet sind. Die jeweiligen Areas werden von sogenannten Area Managern geleitet. In der Stellenbeschreibung für Store Manager (Blatt 41 ff. der erstinstanzlichen Akte), welche im Intranet der Arbeitgeberin veröffentlicht ist und den Store Managern jedenfalls nach ihrer Einstellung regelmäßig ausgehändigt wird, heißt es unter anderem:
"Du bist verantwortlich in deinem Store,
- [...]
- für das selbstständige Einstellen und Entlassen von Mitarbeitern
- [...]"
In der Praxis sprechen Store Manager tatsächlich regelmäßig Kündigungen aus. Sie legen hierbei regelmäßig Vollmachten der Arbeitgeberin vor, die sie zum Ausspruch der Kündigung ausdrücklich bevollmächtigen. Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) in Frechen mit der unternehmenseigenen Filialnummer 4 eingerichtete Betriebsrat.
Zwischen den Beteiligten besteht keine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit nach § 87 Abs.1 Nr. 2 BetrVG.
Am 07.03.2024 setzte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über den geplanten Einsatz einer Mitarbeiterin, Frau S M, in der Filiale 4 in Kenntnis. Am 11.03.2024 von 09:40 Uhr bis 19:10 Uhr, am 16.03.2024 von 09:40 Uhr bis 18:10 Uhr und am 18.03.2024 von 09:00 Uhr bis 19:10 Uhr war Frau M sodann in der Filiale 4 eingesetzt, ohne dass der Betriebsrat ihren Arbeitszeiten zuvor zugestimmt hatte.
Frau M war bei der Arbeitgeberin ursprünglich als Abteilungsleiterin in einer Filiale in W beschäftigt. Aufgrund einer Stellenausschreibung im Intranet der Arbeitgeberin bewarb Frau M sich auf eine Stelle als Store Manager der Filiale in D. Gemäß Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 19.01.2024 (Blatt 40 der erstinstanzlichen Akte) ist Frau M seit dem 01.02.2024 für eine Dauer von zwölf Monaten als kommissarische Store Managerin beschäftigt. In dieser Funktion wurde sie im Februar 2024 eingearbeitet und übernahm ab März 2024 die Leitung der Filiale in D, da die eigentlich dort eingestellte Store Managerin langfristig arbeitsunfähig erkrankt war. Während ihres Einsatzes in der Filiale in F verrichtete Frau M überwiegend Tätigkeiten, die denen eines Sales Advisors zuzuordnen sind. Der reguläre Store Manager der Filiale 4 war bis zum Ablauf des 14.03.2024 arbeitsunfähig.
Mit seiner Antragsschrift vom 28.03.2024 hat der Antragsteller die Unterlassung der Einteilung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu Arbeitszeiten ohne seine Zustimmung begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, mit dem Einsatz der Frau M habe die Arbeitgeberin gegen § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG versto...