Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten für die Klage einer Telefonsexdienstleisterin
Leitsatz (amtlich)
Die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit einer als Freiberuflerin geführten Telefonsexdienstleisterin kann sich aus ihrer Eingliederung in eine fremde betriebliche Arbeitsstruktur ergeben. Das ist dann der Fall, wenn sie durch eine einseitige Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe in einer Weise ihrer Selbstständigkeit beraubt wird, die über die mögliche Einflussnahme bei einem freien Dienstvertrags hinausgeht.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a), Buchst. d)
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 26.05.2020; Aktenzeichen 11 Ca 2859/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 26.5.2020 - 11 Ca 2859/19 abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist zulässig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.
Gründe
I.
Die Beklagte zu 1 bietet Dienstleistungen für Unterhaltungsangebote im Internet an und betreibt in K eine telefonische Sex-Hotline. Bei dem Beklagten zu 2 handelt es sich um den gerichtlich bestellten Notgeschäftsführer der Beklagten zu 1. Gesellschafterin der Beklagten zu 1 ist eine Erbengemeinschaft, der auch der Beklagte zu 3, ein Steuerberater, angehört. Das Unternehmen ist in demselben Gebäude ansässig wie die C GmbH, die laut Handelsregister ua. die Vermietung von Büros und Infrastruktur, die Website-Gestaltung sowie den Verkauf und der Vertrieb von Unterhaltungsmedien zum Unternehmensgegenstand hat. Geschäftsführerin der C GmbH sowie der Beklagten zu 1 war die inzwischen verstorbene Ehefrau des Beklagten zu 3.
Die Beklagte zu 1 beschäftigt mehrere Verwaltungsangestellte und arbeitet mit zahlreichen weiteren Telefonistinnen zusammen, die ihre sexuellen Dienstleistungen im Schichtbetrieb an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag anbieten. Die Telefonistinnen werden von der Beklagten zu 1 als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt.
Die Klägerin war in der Zeit von Juli 2016 bis Mai 2018 bei der Beklagten zu 1 als Telefonistin beschäftigt. Am 15.07.2016 unterzeichnete die Klägerin eine als "AGB" bezeichnete Regelung, gemäß deren Nr. 3.8 die Beraterinnen (Telefonistinnen) als "selbstständige Unternehmer" tätig sind, während die Beklagte zu 1 allein die Kontaktaufnahme mit den Kunden sowie eine Hotline und weitere Infrastruktur für deren Tätigkeit (Telefon, Internet, E-Mail) zur Verfügung stellt. Eine vertragliche Beziehung sollte entsprechend Nr. 2 der AGB im Außenverhältnis nur zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Anrufer zustande kommen. Nach Nr. 5.4. der AGB stellte die Klägerin der Beklagten zu 1 zeitlich unbeschränkt sämtliche Nutzungsrechte insbesondere an Text und Bilddateien zur Verfügung. Die Klägerin beendete das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zu 1 zum 31.05.2018. Bezogen auf den Gesamtzeitraum ihrer Tätigkeit war sie durchschnittlich 67 Stunden im Monat für die Beklagte zu 1 tätig.
Zur Ausübung ihrer Tätigkeit wurden der Klägerin in den Geschäftsräumlichkeiten der C GmbH seitens der Beklagten zu 1 jeweils ein ca. sechs bis acht Quadratmeter großer Raum mit Tisch, Stuhl, Computer und drei Telefonen zur Verfügung gestellt. Dafür zahlte die Klägerin ein monatliches Entgelt iHv. 50 EUR inkl. MwSt. an die C GmbH.
Für ihre Arbeit und für ihr Profil auf der Internetseite der Beklagten zu 1 wählte die Klägerin - ebenso wie die anderen Telefonistinnen - einen Alias-Namen und Fotos aus einem von der Beklagten zu 1 vorgehaltenen Pool. Zudem teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin eine E-Mail-Adresse sowie drei Telefonnummern zu. Einen außerdienstlichen IT-Zugriff hatte die Klägerin nicht. Außerdienstliche private Kontakte zu Kunden der Hotline wurden von der Beklagten zu 1 unter Androhung einer Strafzahlung von 10.000 EUR untersagt.
Die Beklagte zu 1 empfahl der Klägerin, dreimal sechs Stunden in der Woche zu arbeiten, um so Stammkunden aufbauen zu können. Inwieweit darüber hinaus verbindliche Vorgaben zu Mindestarbeitszeiten bestanden, ist zwischen den Parteien streitig. Im Vorplanungszeitraum einer Schicht konnte die Klägerin über das IT-System Raumwünsche äußern, wobei die verbindliche Koordination der Räume über die Beklagte zu 1 erfolgte.
Nach Nr. 4.4.1.2. der AGB musste ein Anruf, den eine Telefonistin nicht bearbeiten wollte, an den internen Anruferpool oder eine andere Telefonistin weitergeleitet werden. Ein Abbruch des Anrufs ohne, dass eine andere Telefonistin der Beklagten zu 1 den Anruf bearbeiten konnte, war untersagt. Kritik erfolgte zum Teil auch durch Rundmails. So wurde von Seiten der Beklagten eine Rundmail mit dem Inhalt: "Im Anhang ein Beispiel für ein Neukundengespräch von Frau (...) wie es schlechter und langweiliger nicht sein kann", versandt. Mit dieser, an alle Telefonistinnen gesendeten Rundmail, wurde zugleich ein durch die Beklagte zu 1 aufgezeichnetes Gespräch sämtlichen Telefonistinnen zugänglich gemacht. Für d...