Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert. Parallelverfahren. "Mengenrabatt". Streitwert bei gleich gelagerten separat betriebenen Parallelverfahren. Frage des Gesamtstreitwerts bei mehreren Verfahren. Bewertung eines führenden Verfahrens. Bewertung des Streitwerts bei Musterverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1.) In rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gleich gelagerte, aber prozessual separat betriebene sog. Parallelverfahren sind auch dann, wenn es sich um nicht-vermögensrechtliche Streitgegenstände handelt, grundsätzlich mit einem je eigenen - im Zweifel gleich hohen - Streitwert zu bewerten. Die Festsetzung eines einheitlichen Gesamtstreitwerts für alle Verfahren verbietet sich dabei ebenso wie die höhere Bewertung eines vom Gericht herausgegriffenen einzelnen Verfahrens als "führendem" Verfahren.

2.) Ob etwas anderen in Frage kommt, wenn alle Beteiligten übereinstimmend ein bestimmtes von mehreren Parallelverfahren zum Musterverfahren erklären und nur dieses aktiv bestreiten, die anderen jedoch zum Ruhen bringen, bleibt offen.

 

Normenkette

RVG § 23

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 06.12.2011; Aktenzeichen 3 BVGa 11/09 h)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.12.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Streitwertbeschwerde der Beteiligten zu 2) ist als zulässig zu behandeln. Zwar wurde der arbeitsgerichtliche Streitwertbeschluss ausweislich der Gerichtsakte am 08.12.2011 in den Postweg gegeben und ist die Beschwerde erst am 27.12.2011 beim Arbeitsgericht eingegangen. Da der Streitwertbeschluss jedoch nicht förmlich zugestellt wurde, muss zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt werden, dass die 14-tägige Beschwerdefrist eingehalten wurde.

II. In der Sache ist die Streitwertbeschwerde jedoch unbegründet.

1. Im Ausgangspunkt geht die Beschwerdeführerin zutreffend davon aus, dass es sich vorliegend um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelte, für deren Bewertung § 23 Abs. 3 RVG einschlägig ist, und dass das Gericht im Rahmen der dortigen Vorgaben den Streitwert nach billigem Ermessen festzusetzen hat. Das Arbeitsgericht hat in dem angegriffenen Streitwertbeschluss von seinem Ermessen jedoch in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht, indem es als Streitwert den Hilfswert von 4.000,00 € zugrunde gelegt hat.

Sachliche Einwände hiergegen hat die Beschwerdeführerin letztlich auch nicht erhoben, führt sie doch selber aus, dass ein einzelnes Beschlussverfahren der vorliegenden Art mit dem Hilfswert von 4.000,00 € zutreffend bewertet wäre.

2. Die Einwände der Beschwerdeführerin gehen vielmehr im Kern dahin, dass in dem hiesigen Verfahren zusammen mit den ähnlich gelagerten Parallelverfahren Arbeitsgericht Aachen 3 BVGa 9/09 h und 3 BVGa 8/09 h ein einheitlicher Streitwert gebildet werden müsste und dass aufgrund des Umstandes, dass die Verfahren inhaltlich gleichgelagert seien, nur für eines dieser Verfahren ein Teilstreitwert von 4.000,00 € angesetzt werden könnte, für die beiden anderen dagegen nur ein Teilstreitwert von je 2.000,00 €.

a. Die Ansetzung eines einheitlichen Verfahrensstreitwertes für die Verfahren Arbeitsgericht Aachen 3 BVGa 11/09 h, 3 BVGa 9/09 h und3 BVGa 8/09 h verbietet sich schon aus zwingendem prozessrechtlichen Gründen. Es handelt sich um drei separate Einzelverfahren, die auch vom Gericht vom Anfang bis zum Ende als getrennte Einzelverfahren durchgeführt worden sind. In einem solchen Fall kommt die Festsetzung eines einheitlichen Gesamtstreitwertes für alle Verfahren zusammen von vornherein nicht in Betracht.

b. Ebenso verbietet es sich, die drei einzelnen Parallelverfahren je für sich mit unterschiedlichen Streitwerten zu bewerten. Es erscheint vielmehr sachgerecht, dass das Arbeitsgericht Aachen in allen drei Einzelverfahren denselben Streitwert von 4.000,00 € angesetzt hat.

Gerade wenn es sich um in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht völlig gleichgelagerte Sachverhalte handeln würde, erschiene es willkürlich, ein Verfahren herauszugreifen und mit 4.000,00 € zu bewerten, die anderen Verfahren hingegen mit einem anderen, nach Wunsch der Beschwerdeführerin hier geringeren Wert. Dies zeigt schon die Kontrollüberlegung, wenn die unterschiedlichen Antragsteller in den Einzelverfahren auch durch unterschiedliche Prozessbevollmächtigte vertreten wären. Sachliche Kriterien dafür, welches der Verfahren dann mit 4.000,00 € und welches der Verfahren mit einem geringeren Wert zu bewerten wäre, nennt die Beschwerdeführerin nicht.

c. Etwas Anderes mag dann gelten, wenn alle Beteiligten übereinstimmend ein bestimmtes von mehreren Parallelverfahren zum Musterverfahren erklären und nur dieses aktiv vor Gericht betreiben, die anderen jedoch zum Ruhen bringen. Um eine solche Fallkonstellation handelt es sich vorliegend aber nicht.

d. Zwar ist in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts anerkannt, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen ein sog. Mengenrabatt bei der Streitwertfestsetzung in Betracht kommt. Di...

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