Entscheidungsstichwort (Thema)

Parallelentscheidung zu LAG Köln 6 Ta 170/22 v. 27.01.2023

 

Leitsatz (amtlich)

Dass eine Partei erst vier Tage vor dem Kammertermin ein Dokument vorlegt, rechtfertigt nur dann die Festsetzung einer Verzögerungsgebühr, wenn die verspätete Vorlage des Dokuments für eine Verzögerung des Rechtsstreits im Sinne des § 38 GKG kausal wird.

 

Normenkette

GKG § 38; ZPO § 138 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 28.09.2022; Aktenzeichen 19 Ca 6838/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 28.09.2022 - 19 Ca 6838/21 - aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist eine vom Arbeitsgericht festgesetzte Verzögerungsgebühr gemäß § 38 GKG.

In der Hauptsache streiten die Parteien über die finanzielle Beteiligung des Klägers an seiner Ausbildung zum Verkehrsflugzeugpiloten. Dabei ging es auch um die Wirksamkeit und die Auswirkungen einer Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist vor allem die Frage, ob die Beklagte eine Kopie der vom Kläger unterschriebenen Vereinbarung zu spät vorgelegt hat.

Die Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung ist erstmals vom Kläger vom Schriftsatz vom 09.05.2022 thematisiert worden:

... Soweit sich die Beklagte in Parallelverfahren auf die Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung ... beruft, führt dies zu keiner anderen Rechtsfolge. Es handelt sich dabei lediglich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis..."

Der Kläger behandelt in diesem Schriftsatz die nach seiner Auffassung anzunehmende Unwirksamkeit der Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung auf 10 Seiten.

Ein erster Kammertermin fand am 27.05.2022 statt. Zuvor hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wegen einer längeren Erkrankung um Aufhebung des Termins gebeten. Im Protokoll dieses ersten Kammertermins findet sich die ausdrückliche Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, es gebe da die Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung. Diese müsse noch vorgelegt werden. Das Protokoll schließt mit der Auflage, "... insbesondere zur Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung ..." vorzutragen. Mit Beschluss vom 07.06.2022 wurde hierzu eine Frist gesetzt bis zum 05.07.2022.

Mit Schriftsatz vom 28.06.2022 hat daraufhin die Beklagte ausführlich zur Wirksamkeit der Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung vorgetragen mit dem einleitenden Hinweis, dass auch der Kläger eine solche Vereinbarung unterzeichnet habe. Ein Muster einer solchen Vereinbarung wurde als Anlage B4 vorgelegt. In diesem Muster findet sich zur Restforderung kein konkreter Betrag, sondern nur ein Platzhalter "[...]".

Der Kläger antwortete mit Schriftsatz vom 01.08.2022, nahm seinerseits auf fünf Seiten ausführlich Stellung zu der Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung: Es handele sich bei der Vereinbarung nicht um einen Vergleich gemäß § 779 BGB, es gehe vielmehr um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das gegen AGB-rechtliche Vorschriften verstoße. Einleitend zu diesen Ausführungen heißt es "Wie der von der Beklagten vorgelegten Anlage B4 zu entnehmen ist, hat die Klagepartei diese nicht unterzeichnet."

Die Beklagte äußerte sich ihrerseits mit Schriftsatz vom 25.08.2022 auf fünf Seiten zur Wirksamkeit der Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung.

Mit Schriftsatz vom Montag, dem 29.08.2022, und damit vier Tage vor dem für den 02.09.2022 anberaumten Kammertermin, hat die Beklagte die Kopie der konkret vom Kläger unterzeichneten Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung zur Akte gereicht, die der zuvor mit Schriftsatz vom 28.06.2022 eingereichten Anlage B4 entspricht.

Im Kammertermin vom 02.09.2022 wurde mit Blick auf ein Parallelverfahren die Möglichkeit erörtert, das Verfahren zum Ruhen zu bringen bzw. auszusetzen. Am Schluss der Sitzung wurde ein Hinweis- und Auflagenbeschluss verkündet und die Beklagte auf die Absicht des Gerichts hingewiesen, eine Verzögerungsgebühr zu verhängen. Der Hinweis- und Auflagenbeschluss hatte den folgenden Wortlaut:

In der Sache werden die Parteien auf folgendes hingewiesen: Einer Ansicht nach liegt mit der Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung ein Vergleich vor, der die gesamte Rechtsbeziehung auf eine neue Grundlage stellt und damit Ansprüche der Klägerseite ausschließt. Nach anderer Ansicht bezieht sich die Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung aber jedenfalls nicht auf solche Ratenzahlungen, die vor Abschluss der Vereinbarung bereits verrechnet worden sind. Nach noch anderer Ansicht könnte die ggf. bestehende Unwirksamkeit der Ratenzahlungsverpflichtungen der Arbeitnehmer aus dem Darlehensvertrag auf die Aufhebungs-, Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung durchschlagen und diese damit insgesamt unwirksam machen bzw. wäre zu prüfen, ob die Bindungs...

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