Rechtsmittel zugelassen
Leitsatz (amtlich)
Bei Beschlußverfahren im Bereich der personellen Mitbestimmung nach § 99 BetrVG ist – außer in Verfahren über die Mitbestimmung bei Eingruppierung – die Wertvorschrift des § 12 Abs. 7 ArbGG grundsätzlich für die Bestimmung des Streitwertes nicht entsprechend heranzuziehen.
Normenkette
BRAGO § 8 Abs. 2; ArbGG § 12 Abs. 7; BetrVG § 99
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 23.12.1994; Aktenzeichen 3 BV 150/94) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten des Antragsgegners wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 23.12.1994 abgeändert:
Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 8.000,00 DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Darüber, daß es sich bei einem Streit um betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, besteht weitgehend, auch unter den Kammern des Landesarbeitsgerichts Köln, Übereinstimmung. Gleichwohl wird von zahlreichen Landesarbeitsgerichten, so auch von der Mehrheit der Kammern des Landesarbeitsgerichts Köln, bei Verfahren im Bereich der personellen Mitbestimmung nach § 99 BetrVG, insbesondere bei der Mitbestimmung im Falle der Einstellung eine Orientierung an den Wertvorschriften des § 12 Abs. 7 ArbGG gesucht und in der Regel ohne Berücksichtigung weiterer, im Rahmen des § 8 Abs. 2 BRAGO möglicher und typischerweise herangezogener Parameter strikt numerisch mit – durchaus nicht einheitlichen – prozentualen Abschlägen der Wert festgesetzt (vgl. z.B. LAG Köln vom 25.01.1994 – 12 Ta 215/93 – mit zahlreichen weiteren Nachweisen; LAG Düsseldorf vom 22.11.1993 – 7 Ta 344/93 –, ebenfalls mit weiteren Nachweisen). Auch die erkennende Kammer ist in der Vergangenheit in mehreren Beschlüssen dieser Rechtsprechung gefolgt.
Diese Rechtsprechung berücksichtigt jedoch nicht hinreichend, daß in mitbestimmungsrechtlichen Fragen der Streit der Beteiligten oft nicht primär um greifbare Vermögenspositionen geht, sondern umhäufig in Geldwert nicht zu berechnende – Interessen der Belegschaft wie aber auch – nicht selten – schlicht um die Frage, wer im Betrieb „bestimmt”. Dieses gilt – vom Sonderfall der Mitbestimmung über Eingruppierung abgesehen – in der Regel auch für Mitbestimmung bei personellen Maßnahmen. Gerade der vorliegende Fall zeigt dieses. Die Beteiligten stritten letztlich nicht darum, ob Einstellungen vorgenommen werden könnten, sondern darum, wie die Einzustellenden auszusuchen seien. Einen Bezug zu den Streitwertbemessungsvorschriften des § 12 Abs. 7 ArbGG vermag die Kammer dabei nicht zu erkennen. Sie vermag auch sonst nicht der Argumentation des Prozeßbevollmächtigten des Antragsgegners zu folgen. Dieser räumt ein, daß die wirtschaftlichen Hintergründe nur einen von mehreren möglichen Parametern zur Schätzung nach § 8 Abs. 2 BRAGO bieten. Er räumt auch ein, daß in diesem Zusammenhang insbesondere der Arbeitsaufwand der Prozeßbevollmächtigten zu berücksichtigen sei. Nicht nachzuvollziehen vermag die Kammer aber, wie der Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners dahin gelangt, daß „gerade dies” eine Orientierung an § 12 Abs. 7 ArbGG angezeigt erscheinen lasse, weil es argumentativ keinerlei Unterschied mache, ob die personelle Maßnahme – Einstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung – individualrechtlich oder unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überprüft werde. Wie schon angedeutet mag der Fall des Streites um eine Eingruppierung im Individualrechtsstreit wie im Kollektivrechtsstreit weitgehend ähnlich ausgestaltet seien. Auch geht es dort vorwiegend um greifbare Vermögensinteressen.
Gerade in dem vorliegend gegebenen Fall der Einstellung aber sind solche Parallelen nicht gegeben. Ein Individualrechtsstreit um eine Einstellung (in der Praxis höchst selten, da in der Regel eine Anspruchsgrundlage fehlt – Ausnahme Art. 33 GG) betrifft ganz andere Rechtsfragen als ein Streit über die Mitbestimmung bei Einstellungen. Deshalb ist auch der Arbeitsaufwand für die Verfahrensbevollmächtigten im Gegensatz zur Meinung des Prozeßbevollmächtigten des Antragsgegners keineswegs „in beiden Verfahren identisch”.
Wie die Kammer bereits in ihrem Schreiben vom 06.06.1995 den Beteiligten verdeutlicht hat, ist für eine Bewertung des Streits nach § 8 Abs. 2 BRAGO einerseits die Bedeutung des Konflikts der streitenden Parteien, andererseits die tatsächliche und rechtliche Komplexität der Sache zu berücksichtigen. Bei letzterem kann nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht von einer ex post-Betrachtung ausgegangen werden.
Im vorliegenden Fall hatte der Streit für beide Beteiligten grundsätzliche Bedeutung. Es ging nämlich im Kern um die Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlossenen Sozialplanes, d.h. der Ziffer VIII, welche lautet:
„Bei eventuell später wieder möglichen Einstellungen bis 31. Dezember 1994 werden bevorzugt jeweilige Mitarbeiter angesprochen, die aus betriebsbedingten Gründen ausgeschieden sind.”
Diese Klausel enthält das Potential einer erheblichen...