Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen Nichtentrichtung angeordneter Raten. Rechtsfolgen einer Verschlechterung der Einkommensverhältnisse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 4 ZPO a.F. kam nur in Betracht, wenn der Rückstand der betreffenden Partei mit der Entrichtung der festgesetzten Raten “verschuldet„ war.

2. Verfügt die Partei im betreffenden Zeitraum nicht über ein Einkommen, das es ihr ermöglicht, die angeordnete Rate aufzubringen, so ist die Nichtentrichtung der weiteren Raten nicht schuldhaft in diesem Sinne. Denn es ist nicht Sache einer Partei, von der mit angeordneten Raten ein deutlich höherer Betrag verlangt wird, als sie tatsächlich leisten kann, selbst zu ermitteln, wie viel sie leisten kann und diesen Betrag dann zu zahlen.

 

Normenkette

ZPO a.F. § 124 Nr. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 15.02.2018; Aktenzeichen 1 Ca 2051/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufhebende Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 15.02.2018 - 1 Ca 20517/15 - aufgehoben.

 

Gründe

I.

Im Nachprüfungsverfahren hat das Arbeitsgericht die dem Kläger bewilligte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 15.02.2018 aufgehoben, da der Kläger für die Monate Juni bis Oktober 2017 mit der Zahlung der in Höhe von EUR festgesetzten Rate in Rückstand geraten war.

Der Beschluss wurde ihm am 21.02.2018 zugestellt. Am 26.02.2018 ist beim Arbeitsgericht ein handschriftliches Schreiben des Klägers vom 23.02.2018 eingegangen, mit dem er Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht hat. Das Arbeitsgericht hat diese Eingabe als Beschwerde angesehen und ihr mit Beschluss vom 23.03.2018 nicht abgeholfen, da der Kläger im Juli 2017 über ein Einkommen verfügt habe, das eine Ratenzahlung von EUR ermöglicht hätte, er danach aber keine weiteren Zahlungen geleistet habe.

II.

Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Eingabe des Klägers vom 23.02.2018 ist begründet.

1.) Allerdings war zweifelhaft, ob es sich bei der Eingabe vom 23.02.2018 überhaupt um eine Beschwerde handelt. Denn gemäß § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO muss eine Beschwerdeschrift die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werde. Wegen der geringen Formstrenge reicht es dabei aus, wenn die Schrift bei großzügiger Auslegung den Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung und das Anliegen der Überprüfung derselben durch die höhere Instanz hinreichend klar erkennen lässt. Ist jedoch der Anfechtungswille auch bei großzügiger Auslegung nicht erkennbar, kann eine Eingabe an das Gericht nicht nachträglich dadurch zu einer Beschwerde gemacht werden, dass die Partei erklärt, ihre Eingabe möge als Beschwerde gewertet werden (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003- IX ZB 369/02 -, Rn. 6, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 26. Juni 2017 - 9 Ta 116/17 -, Rn. 3, juris zur rein tatsächlichen Wiederaufnahme von Ratenzahlungen). Rein tatsächliche Handlungen einer Partei, aus der sich der Wille ablesen lässt, weiterhin im Genuss der Prozesskostenhilfe bleiben zu wollen, lassen hingegen grundsätzlich nicht auch den Schluss zu, die Partei wolle eine (bereits) ergangene Entscheidung mit einem Rechtsmittel angreifen und ggf. bei Unterliegen die Kosten dafür tragen. Die Eingabe einer Partei muss vielmehr selbst den Bezug auf eine konkrete Entscheidung enthalten und erkennen lassen, dass die Partei mit ihr nicht einverstanden ist. Allein die zeitliche Nähe der Eingabe zu einer vorangegangenen beschwerdefähigen Entscheidung ist dafür nicht ausreichend (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 23. Januar 2018 - 9 Ta 270/17 -,Rn. 6, juris). Die Annahme des Arbeitsgerichts, im Schreiben des Klägers vom 23.02.2018 sei eine Beschwerde zu sehen, lässt sich jedoch damit rechtfertigen, dass sich die vorgelegten Unterlagen auf den Zeitraum beziehen, für den das Arbeitsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss das Fehlen eines Einkommensnachweises beanstandet hatte. Insofern war und ist ein inhaltlicher Bezug zu der Aufhebungsentscheidung und der Wille zu ihrer Abänderung zu erkennen.

2.) Die Beschwerde ist auch begründet. Denn der Rückstand mit der Ratenzahlung war vom Kläger nicht verschuldet.

a) Nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO soll das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist. Nach früherer Rechtslage (§ 124Nr. 4 ZPO a. F.) verlangte die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass der Ratenrückstand "verschuldet" war. Auch nach der Reform des Prozesskostenhilferechts zum 01.01.2014 ist davon auszugehen, dass die Prozesskostenhilfebewilligung nicht aufgehoben werden kann, wenn die Partei im fraglichen Zeitraum zur Ratenzahlung nicht in der Lage war oder ihr Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahl...

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