Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Versetzung. Direktionsrecht. Verhältnismäßigkeit. Unkündbarkeit. Bonn/Berlin
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Änderungskündigung, deren Ziel in gleicher Weise gestützt auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erreicht werden kann, ist unverhältnismäßig. Das gilt unabhängig davon, ob der gekündigte Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat.
2. Eine solche unwirksame Änderungskündigung kann regelmäßig nicht in eine Direktionsrechtsausübung umgedeutet werden.
3. § 1 Abs. 5 KSchG ist auf außerordentliche Kündigungen nicht anwendbar.
4. Auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 S. 2 BAT kann eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist ausnahmsweise zulässig sein (ständige BAG-Rechtsprechung).
Normenkette
BAT §§ 12, 53, 55; BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 18.02.2006; Aktenzeichen 1 (7) Ca 1271/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.02.2006 – 1 (7) Ca 1271/05 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Änderungskündigung vom 18.04.2005, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Referent in Bonn weiter zu beschäftigen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung.
Der am 03.06.1950, verheiratete, schwerbehinderte Kläger ist seit dem 01.07.1982 bei dem Beklagten als Referent in der Abteilung Trendanalayse mit einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.313,51 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung.
Der Beklagte hatte zunächst seinen Sitz in B. Aufgrund eines Vorstandsbeschlusses aus März 1999 wurde die gesamte Geschäftsstelle mit Ausnahme der D und der Abteilung „Wissenschaftliche Dienste, Forschung und Dokumentation” nach B verlegt. Der Umzug wurde bis zum 31.12.2004 abgeschlossen. Im Zusammenhang mit dieser Arbeitsplatzverlagerung nach B vereinbarte der Beklagte mit dem Betriebsrat am 25.06.2004 einen Interessenausgleich. Bestandteil dieses Interessenausgleichs ist u. a. eine Namensliste, in der auch der Kläger aufgeführt ist. Mit Schreiben vom 25.06.2004 sprach der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Wirkung zum 31.12.2004 eine erste Änderungskündigung mit dem Ziel der Versetzung des Klägers nach B aus. Diese Kündigung wurde wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes zurückgenommen. Das Gleiche geschah mit einer zweiten Änderungskündigung vom 26.10.2004, weil der Beklagte den Sonderkündigungsschutz des Klägers nach § 53 Abs. 3 BAT nicht beachtet hatte.
Mit Schreiben vom 18.04.2005 sprach der Beklagte schließlich die streitgegenständliche, außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2005 aus, nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 13.04.2005 die Zustimmung erteilt hatte. Der Beklagte kündigte dabei das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und bot dem Kläger zum 01.01.2006 einen Arbeitsplatz am neuen Dienstort B unter Beibehaltung seines bisherigen Aufgabenbereichs bei im übrigen unveränderten Vertragsbedingungen an. Der Kläger hat diese Änderungskündigung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26.04.2005 unter dem Vorbehalt angenommen, dass diese nicht sozial ungerechtfertigt und auch aus sonstigen Gründen nicht unwirksam ist.
Mit seiner am 29.04.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Änderungskündigung. Dabei hat er zunächst die Auffassung vertreten, der Interessenausgleich vom 25.06.2004 sei im vorliegenden Fall für die Kündigung ohne rechtliche Relevanz, da § 1 Abs. 5 KSchG auf die streitgegenständliche Kündigung nicht anwendbar sei. Diese Vorschrift erfasse nur ordentliche arbeitgeberseitige Kündigungen und finde auf eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist keine Anwendung. Darüber hinaus hat er gemeint, eine außerordentliche Änderungskündigung mit dem Ziel der Versetzung scheitere an dem besonderen Kündigungsschutz des § 55 BAT. Dieser schließe in § 55 Abs. 2 BAT dringende betriebliche Erfordernisse als Kündigungsgründe grundsätzlich aus und ermögliche eine außerordentliche Änderungskündigung allein zum Zweck der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe. Im Übrigen hat der Kläger behauptet, dass weitere Abteilungen des Beklagten zumindest teilweise in B verblieben seien und dass man seine Tätigkeit auch einer anderen Gruppe als der Trendanalyse habe zuordnen können. Auf diese Weise wäre seine Versetzung nach Berlin...