Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Einziehung von Beiträgen durch das Förderungswerk für die Beschäftigten des Bäckerhandwerks auf Grund des SoKaSiG II

 

Leitsatz (amtlich)

1. §§ 28, 29 SoKaSiG II ermöglichen es dem Förderungswerk für die Beschäftigten des Bäckerhandwerks, rückwirkend, Beiträge einzuziehen.

2. Das SoKaSiG II ist jedenfalls insoweit, als es Regelungen für das Bäckerhandwerk enthält, verfassungsgemäß. Die mit der gesetzlichen Regelung verbundene echte Rückwirkung ist zulässig.

 

Normenkette

SoKaSiG II §§ 28-29

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 27.10.2017; Aktenzeichen 2 Ca 356/16 FW)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.07.2020; Aktenzeichen 10 AZR 573/18)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 27. Oktober 2017 - 2 Ca 356/16 FW - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, für das Jahr 2015 Beiträge zu dem Förderungswerk des Bäckerhandwerks zu entrichten.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Bäckerhandwerks. Das Förderungswerk beruht auf zwei Tarifverträgen zwischen dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die zuletzt 2002 geändert und 2003 für allgemeinverbindlich erklärt wurden.

§ 3 des Tarifvertrages vom 18. Dezember 2002 (TV 2002) bestimmt zum Zweck des Förderungswerkes:

“Zweck des Förderungswerkes‚ ist es, ohne Begründung eines Rechtsanspruches aus den ihm nach § 4 zufließenden Mitteln der Bildung, insbesondere der Aus- und Weiterbildung dienenden Maßnahmen zu bestreiten und insbesondere Beihilfen an Einrichtungen zur beruflichen und staatsbürgerlichen Bildung zu leisten.

Über die Förderung von Bildungseinrichtungen und Bildungsmaßnahmen im Rahmen der vorhandenen Mittel wird nach Maßgabe der Satzung entschieden.„

In der Satzung des Klägers vom 22. Juni 2005 heißt es:

Ҥ 2 Zweck des Vereins

Der Zweck des Vereins ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet. Er hat die Aufgabe, Beihilfen und Einrichtungen zur beruflichen staatsbürgerlichen Bildung zu gewähren.„

Wegen des weiteren Inhalts der Satzung wird auf die Kopie Blatt 190 ff. d. A. Bezug genommen.

In einer Stellungnahme des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks e. V., die in der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in B am 19. Juni 2017 durch den Ausschuss des Deutschen Bundestages für Arbeit und Soziales ergangen ist, ist wörtlich ausgeführt:

“Zweck des Förderungswerks ist es, aus den ihm auf Grund der beiden Tarifverträge zufließenden Mittel Maßnahmen der Bildung, insbesondere der Aus- und Weiterbildung zu bestreiten und insbesondere Beihilfen an Einrichtungen zur beruflichen und staatsbürgerlichen Bildung zu leisten.

Nach den tarifvertraglichen Bestimmungen haben die Betriebe des Bäckerhandwerks zur Finanzierung dieser Aufgaben jährlich einen Beitrag von 1,1 Promille der Lohnsumme des Vorjahres zu entrichten. Das Förderungswerk unterstützt mit diesen Mitteln die Bildungseinrichtungen des Bäckerhandwerks: Den gemeinnützigen Verein B e. V. sowie die ebenfalls gemeinnützige Akademie D . Weiterhin werden von den Landesinnungsverbänden getragene Bildungsangebote und Bildungseinrichtungen unterstützt. Diese bieten mit Hilfe der zugewiesenen Mittel weit über die Vorbereitung zur Meisterprüfung hinausgehende Aus- und Weiterbildungsangebote an. Das Förderungswerk sichert damit die finanziellen Grundlagen der Aus- und Weiterbildung im Bäckerhandwerk. Es trägt damit nicht nur Sicherung von qualifiziertem Fachpersonal, sondern auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen im Bäckerhandwerk bei.„

Der Beklagte betreibt eine handwerkliche Bäckerei, in der er Arbeitnehmer beschäftigt, die in den Geltungsbereich der Tarifverträge fallen. Er entrichtete den am 30. Juni 2015 für das Jahr 2015 fälligen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 45,65 € nicht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus dem SoKaSiG II. Die in diesem Gesetz vorgesehene echte Rückwirkung sei zulässig.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 45,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2015 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, dass SoKaSiG II sei unwirksam. Der Gesetzgeber habe sich dazu entschlossen, formale Mängel des Allgemeinverbindlichkeitsverfahrens zu heilen. Er könne jedoch nicht per Gesetz verordnen, dass in bestimmten Fällen die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlichkeit vorliegen. Solange kein Interesse an einer Allgemeinverbindlichkeit bestehe, helfe auch die Heilung von Verfahrensmängeln nicht. Ob die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlichkeit vorliegen, habe allein das Gericht zu prüfen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

D...

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