Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Aussetzung der in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Anpassung der Betriebsrenten an die Entwicklung der gesetzlichen Renten
Leitsatz (amtlich)
Zur vertraglichen Anpassung von Versorgungsbezügen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung, wonach die Betriebsrente an die Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung anzupassen ist, es sei denn, der Vorstand hält eine Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nicht für vertretbar, ist dahin auszulegen, dass der Vorstand hinreichend substantiiert darzulegen hat, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberin - trotz positiver Geschäftsergebnisse - einer Anpassung der Gesamtversorgung entsprechend der Steigerung der gesetzlichen Renten entgegensteht.
2. Dem ist nicht genügt, wenn belastbares wirtschaftliches Datenmaterial zur Ausübungskontrolle fehlt. Auch die Berufung auf die Marktsituation in der Versicherungsbranche wie etwa die Niedrigzinsphase ist nicht ausreichend.
3. Sind bei der Entscheidung der Arbeitgeberin im Rahmen der Ausübung des Anpassungsvorbehalts die gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat aufgestellten Verteilungsgrundsätze nicht beachtet, so erweist sich die Entscheidung wegen Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG als rechtsunwirksam. Gleichzeitig stellt sie auch keine wirksame Leistungsbestimmung im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB dar.
Normenkette
BetrAVG; BGB § 315 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 20.09.2016; Aktenzeichen 12 Ca 1055/16) |
Nachgehend
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.09.2016 - 12 Ca 1055/16 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
- Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Erhöhung bzw. Anpassung der betrieblichen Altersrente des Klägers.
Der am 19.07.1944 geborene Kläger war seit dem 01.12.1968 bei der Beklagtenseite beschäftigt.
Dem Kläger wurde ausweislich § 7 seines Arbeitsvertrages vom 05.12.1968 eine Versorgungszusage aufgrund der Versorgungsordnung vom 01.08.1966 in der jeweils maßgebenden Fassung gewährt.
Mit Schreiben vom 10.11.1983 teilte die Personalabteilung der Beklagtenseite dem Kläger mit, ihm werde eine Vordienstzeit von vier Jahren auf die Wartezeit bezüglich der betrieblichen Altersversorgung angerechnet, so dass diese am 30.11.1974 als erfüllt gelte.
Zum 01.01.2001 trat der Kläger in den Vorruhestand und bezog ein vorgezogenes Ruhegeld. Seit dem 01.08.2007 erhält der Kläger gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte gemäß dem Rentenbescheid vom 03.05.2007 und zudem zunächst eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 609,76 € brutto, die im Januar 2014 auf monatlich 712,30 € brutto erhöht wurde.
Bei der Beklagten gilt der Versorgungstarifvertrag der D vom 30.06.1981 (VTV), der in § 23 unter der Überschrift Anpassung der laufenden Renten in Absatz 1 folgende Regelung enthält:
Die laufenden Versorgungsleistungen werden im Allgemeinen nicht die Vergütungsstruktur betreffenden Änderungen des für die Arbeitnehmer/innen der D geltenden Vergütungstarifs angepasst. Diese Anpassung erfolgt unabhängig davon, ob sich ein/e Versorgungsempfänger/in der/die unter die Übergangsregelung des § 29 Abs. 2 dieses Vertrages fällt, für die Anwendung dieses Vertrages entschieden hat.
Im Tarifvertrag über neue Gehaltssätze für Arbeitnehmer/innen sowie über die Anhebung der Honorare und die Änderungen weiterer tariflicher Vorschriften bei der D vom 16.01.2014 wurde zunächst in Artikel 1 Ziffer 1 geregelt, dass die Eingangsgehälter und Stufensteigerungsbeträge jeder Vergütungsgruppe zum 01.02.2014 linear um 2,65 % brutto erhöht werden und zum 01.01.2015 eine weitere lineare Erhöhung der Eingangsgehälter und Stufensteigerungsbeträge um 2,95 % brutto erfolgt. Zudem wurde in Artikel 1 Ziffer 5 dieses Tarifvertrages geregelt, dass Abweichen von § 23 Abs. 1 des Versorgungstarifvertrages der D vom 30.06.1981 und abweichend von Ziffer IV Absatz 3 der Anlage 2 zum Versorgungstarifvertrag der D vom 30.06.1981 vereinbart wird, die Versorgungsbezüge zum 01.08.2014 linear um 2,65 % brutto zu erhöhen und über die ab 2015 erfolgenden Erhöhungen der Versorgungsbezüge, die nicht unter 1 % pro Jahr liegen dürfen, rechtzeitig vor Beginn der zweiten Erhöhungsstufe der Gehälter und Honorare, d. h. vor dem 01.01.2015 zu verhandeln.
Dementsprechend wurden die Betriebsrentenbezüge des Klägers nicht bereits zum 01.02.2014 - wie die Vergütungen der aktiven Mitarbeiter - sondern erst zum 01.08.2014 um 2,65 % erhöht.
Im Laufe des vorliegenden Verfahrens wurde ein weiterer Tarifvertrag über neue Gehaltssätze für Arbeitnehmer/innen sowie über die Anhebung der Mindesthonorare und die Änderungen wei...