Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Weiterverpachtung einer Gaststätte nach Renovierung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Wird der Betriebsübergang bei Ablauf der Pachtzeit und Weiterverpachtung eines Betriebes (z.B. Gaststätte) mehrstufig und zeitlich gestreckt geplant, um in einer Zwischenphase die Räumlichkeiten zwecks Weiterverpachtung durch den Verpächter (z.B. Brauerei) selbst renovieren und umgestalten zu lassen, dann kann es sich um einen zweifachen Betriebsübergang mit den Folgen des § 613 a BGB handeln, wenn die Identität des Betriebes im Sinne des § 613 a BGB fortbesteht; auf die Dauer der vorübergehenden Betriebsschließung „wegen Renovierung” kommt es nicht an.

2) Dieser „mehrstufige” Betriebsübergang könnte durch eine Stillegung seitens des früheren Pächters (bis zum Ablauf seiner Pachtzeit) verhindert werden; unberührt bleibt auch die Möglichkeit des Verpächters, durch „endgültige” Stillegung von einem geplanten weiteren Betriebsübergang Abstand zu nehmen.

3) Zu den (strengen) Anforderungen an eine Stillegung durch den früheren Pächter.

4) Zum Betriebsbegriff nach BAG und EuGH.

5) Eine betriebsbedingte Kündigung durch den Verpächter (während der genannten Zwischenphase nach Rücknahme des Betriebes) hat die künftige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach dem geplanten Übergang auf den neuen Pächter jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn bis dahin die Kündigungsfrist noch liefe.

6) Die Kündigung seitens des Verpächters während der Zwischenphase ist eine solche wegen des Betriebsüberganges (§ 613 a Abs. 4, BGB), wenn sie mit dem Pächterwechsel bzw. mit betrieblichen Belangen des neuen Pächters begründet wird; Letzerer müßte ggf. selbst betriebsbedingt kündigen.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Aktenzeichen 5 Ca 2380/93)

 

Tenor

Die Berufungen des Beklagten und der Streithelferin werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klagesumme wie folgt zu verzinsen ist:

4 % Zinsen von jeweils 3.137,– DM seit dem 05.06., 05.07. und 05.08.1993 und von dem Betrag von 600,– DM seit dem 19.08.1993. Im übrigen wird die Klage zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte, die Kosten der Streithilfe trägt die Streithelferin.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: DM 10.011,–.

 

Tatbestand

Der am 23.05.1943 geborene Kläger war seit Februar 1968 als Kellner in der Gaststätte … in B., gelegen am Marktplatz, beschäftigt. Unter diesem Namen wird die Gaststätte dort seit ihrem Wiederaufbau vom 01.07.1967 an von verschiedenen Pächtern geführt. Im Erdgeschoß der Gaststätte befinden sich ein Schankraum, zwei Restaurationsräume und eine Wirtschaftsküche; im Kellergeschoß eine Kegelbahn, Damen- und Herrentoiletten sowie weitere Lagerräume; im 3. Obergeschoß befinden sich Wirtschafts- und Personalräume.

Eigentümerin des Grundstücks einschließlich der Gaststätte war bis 1990 die Streitverkündete; danach hat die B. und Beteiligungsgesellschaft das Eigentum erworben. Die Streitverkündete produziert und handelt mit Bier und anderen Getränken. Aufgrund eines „Pacht- und Getränkebezugsvertrags” vom 31.07.1987/03.08.1987 mit der Streitverkündeten übernahm Frau M. die Gaststätte und führte sie vom 01.04.1987 an fort; die bereits bei den Vorpächtern tätigen Arbeitnehmer – in der Regel mehr als fünf – wurden weiterbeschäftigt. Mit dem Kläger vereinbarte Frau M. in einem „Arbeitsvertrag” am 24.08.1987 (Bl. 15 f. d. A.) ausdrücklich:

„Das Arbeitsverhältnis besteht mit dem Vorpächter seit Februar 1968 und wird ab 01.09.1987 fortgesetzt.”

In § 1 des bis zum 31.08.1992 befristeten „Pacht- und Getränkebezugsvertrags”, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 17 ff. d. A.), war u.a. festgelegt:

„(1) Die Brauerei verpachtet dem Kunden zum Betrieb einer Schankwirtschaft und Restaurant gehobenen Niveaus die Bierabsatzstätte in 5300 B., Markt 4, „…” …

(4) Mitverpachtet sind die bei der Übernahme des Pachtgegenstands vorhandenen Einrichtungs- und Inventargegenstände, soweit diese Gegenstände der Verfügungsbefugnis der Brauerei unterliegen. …”

Bei den vorgenannten Gegenständen handelte es sich im wesentlichen um das Großinventar der Gaststätte (Möblierung), das Inventar der Küche sowie der Thekeneinrichtung; alle Gegenstände waren in einer Liste zum Vertrag aufgeführt (Bl. 24 ff. d. A.). Kleininventar, das branchenüblich nicht mitverpachtet wird, wurde nicht erfaßt.

Nach § 9 Abs. 1 des Vertrags durfte Frau M., in den Räumlichkeiten nur den in § 1 Abs. 1 S. 1 genannten Wirtschaftsbetrieb führen und aufrechterhalten. Ohne Genehmigung der Brauerei war eine Änderung des Namens der Gaststätte nicht zulässig (§ 9 Abs. 1 S. 3 des Vertrags).

Nachdem Frau M. im Sommer 1992 eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses ablehnte, nahm die Streitverkündete bereits vor Vertragsende mit anderen Interessenten Verhandlungen über die Fortführung der Gaststätte auf. In dieser Zeit entschloß sich die Streitverkündete auch, die Räumlichkeiten der Gaststätte umzubauen und zu sanieren und teilte dies Frau M. mit.

Am 31.08.1992 gab Frau M. den Gas...

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