Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbefreiung. betriebsbedingte Gründe
Leitsatz (amtlich)
Gem. § 37 Abs. 3 BetrVG ist Arbeitsbefreiung auch für erforderliche Betriebsratstätigkeit an solchen Tagen zu gewähren, an denen das Betriebsratsmitglied wegen vorangegangener Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit gem. § 37 Abs. 3 BetrVG bereits vollständig von der Arbeit freigestellt ist.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 02.08.2011; Aktenzeichen 13 Ca 2021/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.08.2011 – 13 Ca 2021/11 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Freizeitausgleich für geleistete Betriebsratsarbeit in den Monaten Juli 2010 bis April 2011 im Umfang von 268 Stunden zu gewähren.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 168,78 Euro als Fahrtkostenerstattung zu zahlen.
- Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 14 % und die Beklagte 86 % zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Freizeitausgleichsansprüche nach § 37 Abs. 3 BetrVG.
Der Streit geht im Wesentlichen darum, ob dem Kläger Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit an Tagen zusteht, an denen er während seiner regelmäßigen Arbeitszeit wegen vorangegangener Betriebsratstätigkeit gem. § 37 Abs. 3 BetrVG bereits vollständig von der Arbeit freigestellt war.
Die Beklagte betreibt Zeitungszustellung. Sie beschäftigt ca. 450 Arbeitnehmer. Die Struktur des Betriebes bedingt es, dass neben wenigen Mitarbeitern mit 5-stündiger Arbeitszeit ausschließlich Zusteller mit bis zu drei Stunden täglich beschäftigt werden. Die Zeitungszusteller sind in den frühen Morgenstunden im Einsatz. Der Kläger ist Zeitungszusteller. Seine regelmäßige Arbeitszeit liegt arbeitstäglich zwischen 04:00 Uhr und 06:30 Uhr.
Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrats. Der Betriebsrat leistet seine Betriebsratsarbeit regelmäßig nicht in den Zustellungsstunden, sondern zu den üblichen Bürozeiten. Über diese Praxis besteht Einverständnis mit der Beklagten. Dementsprechend ist es – wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer (Protokoll Bl. 234 d. A.) klargestellt haben, unstreitig, dass aufgrund der Lage der regelmäßigen Arbeitszeit in den Nachtstunden bzw. am frühen Morgen bis 07:00 Uhr die Ableistung von Betriebsratsarbeit, soweit sie erforderlich ist, auch außerhalb dieser regelmäßigen Arbeitszeit erfolgen kann.
Der Kläger macht mit der Klage und der Klageerweiterung Freizeitausgleich für die Monate Juli 2010 bis April 2011 für ursprünglich insgesamt 310,75 Stunden geltend.
Erstinstanzlich war streitig, ob der Kläger in den Stunden, für die er Freizeitausgleich geltend macht und die sich aus der Klageschrift bzw. der Klageerweiterung in Verbindung mit den diesen Schriftsätzen beigefügten Anlagen K 1 (Bl. 30 – 36 d. A.) und K 4 (Bl. 94 – 96 d. A.) ergeben, überhaupt erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet hat.
Nachdem das Arbeitsgericht im Urteil vom 02.08.2011 (Bl. 131 ff. d. A.) dem Kläger für den Großteil dieser Stunden Freizeitausgleich zugesprochen hat, im Übrigen aber die Klage abgewiesen hat, haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer streitlos gestellt, dass grundsätzlich in den Stunden, die der Klage zugrunde liegen, abzüglich derjenigen an den Tagen, die das Arbeitsgericht auf Seite 4 der Entscheidungsgründe in den letzten beiden Absätzen und auf Seite 5 der Entscheidungsgründe im ersten Absatz genannt hat, erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet worden ist.
Bis auf je 3 Seminarstunden für Seminartage im April 2011 streiten die Parteien nur noch darum, ob dem Kläger für alle danach unstreitigen Stunden geleisteter Betriebsratstätigkeit Freizeitausgleich deshalb nicht zusteht, weil er an den jeweiligen Tagen bereits wegen vorangegangener Betriebsratstätigkeit Freizeitausgleich gewährt erhalten hatte.
Hinsichtlich der Seminartage im April 2011 ging es um Folgendes: Bis zum April 2011 erkannte die Beklagte für Seminare, die der Kläger ableistete, stets – soweit erreicht – 8 Stunden pro Seminartag für den Freizeitausgleich an. Erstmals im April 2011 erkannte sie pro Seminartag nur noch 5 Stunden an. Sie stellte sich auf den Rechtsstandpunkt, dass die Begrenzung auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers im Sinne des § 37 Abs. 6 S. 2 2. Hs BetrAVG in ihrem Betrieb bedeute, dass nur 5 Stunden anerkannt werden könnten, weil in ihrem Betrieb kein Arbeitnehmer mit einer Arbeitszeit von mehr als 5 Stunden pro Arbeitstag beschäftigt sei. Desweiteren war sie der Auffassung, dass Pausen zwischen den Seminarstunden abgezogen werden müssten.
Schließlich begehrt der Kläger mit seiner Klage Erstattung von Fahrtko...