Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Weiterbeschäftigung. Dissens. faktisches Arbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Es besteht kein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach § 625 BGB, sondern nur ein sogenanntes faktisches Arbeitsverhältnis, wenn der Arbeitgeber nach Kündigung aller Arbeitnehmer wegen beabsichtigter Betriebsstillegung einigen Arbeitnehmern eine nur vorrübergehende Weiterbeschäftigung über den Kündigungstermin hinaus anbietet und tatsächlich beschäftigt, ohne dass eine Einigung über die nur befristete Weiterbeschäftigung erzielt worden ist.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 625
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 26.11.2002; Aktenzeichen 15 Ca 6821/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.11.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 15 Ca 6821/02 – abgeändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der Kläger wurde am 24.08.1992 von der Beklagten eingestellt und zuletzt als gehobener Baufacharbeiter in der Abteilung Horizontalbohrtechnik des Unternehmensbereichs Tiefbau Köln beschäftigt. Das Unternehmen der Beklagten gliedert sich in die drei Bereiche Verkehrstechnik, Elektrotechnik und Tiefbau. In einem Interessenausgleich vom 25.06.2002 ist festgehalten, dass der Betriebsteil „Tiefbau Köln” zum nächst möglichen Zeitpunkt stillgelegt und sämtliche Arbeitsverhältnisse in diesem Bereich betriebsbedingt zum nächst zulässigen Zeitpunkt gekündigt werden. Dementsprechend wurden sämtliche Arbeitsverhältnisse im Tiefbau Köln gekündigt. Betroffen waren 76 Arbeitnehmer, davon 63 gewerbliche Arbeitnehmer. Dem Kläger wurde am 26.06.2002 zum 30.09.2002 fristgerecht gekündigt.
Neben dem Leiter der Abteilung Horizontalbohrtechnik, dem Zeugen G. arbeiteten drei Arbeitnehmer, darunter auch der Kläger, in der Horizontalbohrtechnik noch bis zum Jahresende 2002 weiter. Der Kläger hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und die betriebsbedingten Gründe in Abrede gestellt. Die Beklagte hat die Kündigung mit der Schließung des Unternehmensbereichs Tiefbau in Köln begründet. Wegen der Kündigungsfrist des Leiters der Abteilung Horizontalbohrtechnik und guter Auftragslage in dieser Abteilung habe sie dem Kläger und den weiteren Arbeitern Z. und H. die befristete Weiterbeschäftigung über den Kündigungstermin hinaus bis zum 31.12.2002 angeboten.
Das Arbeitsgericht hat nach den Anträgen des Klägers erkannt und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26.06.2002 nicht beendet ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger als gehobenen Baufacharbeiter weiterzubeschäftigen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es ergebe sich bereits aus der Bestimmung des § 625 BGB, dass die Kündigung vom 26.06.2002 das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, der Kläger sei zwar mit ihrem Wissen über den 30.09.2002 hinaus weiterbeschäftigt worden, ihr konkludenter Widerspruch zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit ergebe sich aber sowohl aus ihrem Klageabweisungsantrag im Kündigungsschutzprozess gegen die Kündigung vom 26.06.2002 als auch aus dem Umstand, dass dem Kläger nur eine befristete Weiterbeschäftigung bis zum 31.12.2002 angeboten worden sei. Nachdem sich die Auftragslage im Bereich Horizontalbohrtechnik Ende Juli/Anfang August 2002 unerwartet positiv entwickelt habe, habe sie nach dem vorangegangenen Stilllegungsbeschluss aus dem Juni 2002 die weitere Unternehmerentscheidung getroffen, in der Abteilung Horizontalbohrtechnik bis zum Jahresende 2002 weiterarbeiten zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bestreitet die Stilllegung des gesamten Unternehmensbereichs Tiefbau Köln. Er habe Überstunden geleistet und sei über den 30.09.2002 einfach weiterbeschäftigt worden. Eine Vereinbarung über eine nur befristete Weiterbeschäftigung habe es nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 04.03.2004 (Blatt 183 – 187 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und in der Sache begründet.
Die Klage ist unbegründet.
I. Die Kündigung vom 26.06.2002 ist aus betriebsbedingten Gründen sozial nicht ungerechtfertigt und daher wirksam, § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG.
1. Die Beklagte stützt die Kündigung darauf, dass sie sich im Juni 2002 entschlossen habe, ihre Betriebsstätte „Tiefbau Köln” zum nächst möglichen Zeitp...