Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdachtskündigung. Rechnungsprüfung. Ermittlungsgeschwindigkeit. Außerordentliche verhaltensbedingte Verdachtskündigung. Frist bei fortschreitenden Ermittlungen
Leitsatz (amtlich)
Ergeben fortschreitende Ermittlungen neue Tatvorwürfe, können auch schon länger als 2 Wochen bekannte Tatbestandsteile in die Kündigungsüberlegungen einbezogen werden.
Normenkette
BGB §§ 626, 626 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.04.2012; Aktenzeichen 14 Ca 4689/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.04.2012- Az.: 14 Ca 4689/11 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer dem Kläger am 06.06.2011 zugegangenen außerordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 01.03.1987 bei der Beklagten, einer Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts, auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 04.02./28.01.1987 zuletzt als 1. Sachbearbeiter/Technik in der Abteilung IT-Services beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die bei der Beklagten jeweils geltenden tariflichen Vereinbarungen Anwendung. Danach ist der Kläger in Vergütungsgruppe IV, Endstufe 9 eingruppiert und verfügt über ein Jahresverdienst in Höhe von 64.902,00 € brutto.
Zu seinen Aufgaben gehört die Fachplanung für die Infrastruktur bei der Beklagten, wobei er Material bestellt und Leistungen bei Drittunternehmen zu den Bedingungen eines mit diesen abgeschlossenen Rahmenvertrags beauftragt, so unter anderem bei der Firma S . Diese erstellt sogenannte Aufmaße über die von ihr erbrachten Leistungen, welche die Zahlungssumme noch nicht enthalten. Der Kläger bestätigt die Richtigkeit der Aufmaße, also die Durchführung der Leistungen mit seiner Unterschrift. Danach werden die Rechnungen durch die Firma S erstellt, die der Kläger ebenfalls zu prüfen hat und als sachlich richtig abzeichnet. Der Zuständigkeitsbereich des Klägers erstreckt sich auf die 12 Außenstudios außerhalb von K , 3 Korrespondentenbüros und die Auslandsstudios in P und B . Seine Tätigkeit ist mit der Wahrnehmung von Terminen in den Außenstudios verbunden.
Bei der Beklagten besteht eine Dienstanweisung vom 11.09.1991 über die Annahme von Zuwendungen und Geschenken. Danach dürfen Beschäftigte keine Zuwendungen annehmen, fordern oder absprechen, die sich auf ihre Tätigkeit oder ihre Position bei der Beklagten beziehen. Weiterhin besteht eine schriftliche Anzeigepflicht für alle Bewirtungen und Zuwendungen. In der Abteilung des Klägers wird hierfür ein sogenanntes Dinnerbook geführt. Die Firma S unterhält in den Gebäuden der Beklagten ein eigenes Büro, in dem der für die Beklagte zuständige Mitarbeiter der Firma S , der Zeuge A , regelmäßig anwesend ist.
Anfang Juli 2010 fanden bei der Beklagten auf Grund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, des Betrugs und der Untreue Durchsuchungen unter anderem der Arbeitsplätze von Kollegen des Klägers statt. Einer dieser Kollegen arbeitete mit dem Kläger gemeinsam in einem Büro. Danach nahm die Hauptabteilung Revision der Beklagten eine Untersuchung der Vorgänge auf und führte am 27./28.07.2010 ein Gespräch mit dem Kläger, in dem es hauptsächlich um die andere Mitarbeiter betreffenden Vorgänge und Vorwürfe ging.
Im August 2010 hat der Kläger eine dienstliche Erklärung abgegeben. In dieser hat er zunächst eingeräumt, von der Firma S im Jahr 2005 eine Einladung zu einem Eishockeyspiel erhalten zu haben. Er hat nunmehr dazu ausgeführt, er habe diese Erklärung abgegeben, weil der Zeuge A ihm im Sommer 2010 mitgeteilt habe, er sei bei dem Spiel eingeladen gewesen. Tatsächlich habe er keine Erinnerung mehr daran. Die Einladungen der Firma S zum Eishockey erfolgten in die von der Firma S gemietete VIP-Lounge. Der Kläger hält es für nicht plausibel, dass er in der VIP-Lounge gewesen sei, da er seit 2001 über eine Dauerkarte zu den Heimspielen der Kölner Haie verfüge. Am 27.09.2005 anlässlich des 40. Geburtstags seiner Ehefrau, habe er seine Rechnung selbst bezahlt. Herr S habe seiner Frau allerdings eine Fan-Kappe der Kölner Haie geschenkt, die der Kläger nach seiner Anhörung zurückgegeben hat. Der Kläger räumt ein, am 5. Januar 2006 und 3. Februar 2006 gemeinsam mit Herrn S im Cafe M in K gewesen zu sein. Allerdings habe er an beiden Tagen Essen und Getränke selbst bezahlt. Der Kläger hat eingeräumt im Januar 2009 und im Januar 2010 jeweils Einladungen zu einer Herrensitzung durch die Firma S angenommen zu haben. Der Wert der Karte sei ca. 55,00 €.
Anlässlich seines Geburtstags am Mittwoch den 2010 erhielt der Kläger durch den Mitarbeiter A einen Restaurantgutschein in Höhe von 100,00 € in einem Umschlag. Er sei erst am Wochenende da...