Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch gegen Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
1. Die Widerspruchsfrist gegen einen Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 6 BGB beginnt erst mit vollständiger, fehlerfreier Unterrichtung des Arbeitnehmers (im Anschluss an BAG, Urteil vom 13.07.2006 – 8 AZR 305/05 – NZA 2006, 1268 ff.).
2. Eine Unterrichtung ist auch dann fehlerhaft, wenn die wirtschaftliche Lage des Betriebsübernehmers wesentlich besser dargestellt wird, als sie tatsächlich ist, denn eine wahrheitsgemäße Information bildet eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für den Arbeitnehmer bei der möglichen Ausübung des Widerspruchsrechts.
3. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts kommt zumindest solange nicht in Betracht, solange die Falschangaben nicht korrigiert worden sind.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5-6
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 24.08.2006; Aktenzeichen 1 Ca 477/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.08.2006 – 1 Ca 477/06 – wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.08.2006 – 1 Ca 477/06 – teilweise abgeändert und wie folgt erweitert:
a. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bis zum 30.09.2006 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
b. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juli 2006 Euro 1.339,34 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen.
3. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte zu 2) zu je 50 %.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nach Betriebsübergang von der Beklagten zu 2) bei der Betriebserwerberin und damit bei dem Beklagten zu 1) verblieben ist oder ob der Kläger dem Betriebsübergang rechtzeitig widersprochen hat, sowie über die Rechtswirksamkeit von Kündigungen, die die Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 1) ausgesprochen haben sowie um Vergütungs- und Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2).
Der Kläger war bei der Beklagten zu 2) bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.04.1986 in der Fotosparte zuletzt im Bereich Consumer Imagine im Vertrieb zu einem monatlichen Bruttogehalt von 4.339,34 EUR tätig.
Arbeitgeberseitig war geplant, einen Betriebsübergang von der Beklagten zu 2) auf die A, die Betriebsübernehmerin zu realisieren. Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter der Betriebsübernehmerin.
Die Muttergesellschaft der Beklagten zu 2) gliederte den Bereich Consumer Imagine zum 01.11.2004 aus. Die Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse ging aufgrund des Teilbetriebsübergangs auf die A über. Die dem Vertrieb zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse – hierunter das des Klägers – gingen aufgrund des Teilbetriebsübergangs auf die A, die Betriebsübernehmerin, über. Die Betriebsübernehmerin sollte als Vertriebsgesellschaft für die Produkte der A fungieren.
Über die Betriebsübergangsplanungen wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am 19.08.2004 und am 21.09.2004 auf Informationsveranstaltungen informiert. Mittels einer Power-Point-Präsentation wurden am 21.09.2004 verschiedene Charts präsentiert. Zur Liquidität wurde folgender Chart präsentiert:
„A startet mit ausreichender Liquidität
Bereits am ersten Tag stehen dem Unternehmen Barmittel von mehr als EUR 70 Mio. für das Geschäft zur Verfügung
Des Weiteren besteht eine Kreditlinie von zunächst EUR 50 Mio., die bei Bedarf deutlich erhöht werden kann
Verbindlichkeiten gegenüber A – und Banken von insgesamt ca. EUR 160 Mio. können ausschließlich durch übernommene Forderungen aus Leasing (ca. EUR 185 Mio.) getilgt werden
Ein Geschäftsausbau kann aus „Bordmitteln” finanziert werden.”
Zur Bilanz wurde unter der Überschrift „A startet mit einer sehr soliden Bilanz” folgender Chart präsentiert:
„A startet mit einer sehr soliden Bilanz
Erwartete Eckpunkte zum 01.11.2004 (Mio EUR):
Hohes Umlaufvermögen
Vorräte: 187
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen: 208
Forderungen aus Leasing: 185
Barmittel: 72
Überschaubare Verbindlichkeiten, im wesentlichen
Pensionen: 99
A und Banken: 160
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen: 35
Eigenkapital von mehr als 300”
Zu den Namensrechten stand in einem weiteren Chart zu lesen:
„Namensrechte und Zugriff auf wichtige Technologien sind gesichert
Namensrechte sind kostenfrei dauerhaft bei A
A als Firmenname
A Markenzeichen inklusive Rhombus für Film Produkte
A – XXXX als Bezeichnung für Tochtergesellschaften oder Produktgruppen (derzeitige und neue Produkte, auch bestimmte Handelsprodukte)
Alles registrierten Warenzeichen von C”
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde der Kläger wie alle anderen Mitarbeiter auch über den geplanten Betriebsübergang zum 01.11.2004 unterrichtet. In dem Unterrichtungsschreiben hieß es u. a. :
„Die A mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige C-Geschäft der A, also die ...