Entscheidungsstichwort (Thema)

Handelndenhaftung. Vorgesellschaft. Vorgründungsgesellschaft. Arbeitsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die sogenannte Handelndenhaftung des § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG kommt im Vorgründungsstadium, also noch vor Errichtung der Vor – AG, nicht zur Anwendung, weil insoweit eine grundsätzlich unbeschränkte Haftung der an der Vorgründungsgesellschaft beteiligten Gesellschafter besteht.

 

Normenkette

GmbHG § 11 Abs. 2; AktG § 41 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 31.01.2005; Aktenzeichen 1 Ca 8883/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.07.2006; Aktenzeichen 5 AZR 613/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 31.01.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 1 Ca 8883/04 – abgeändert.

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine gesellschaftsrechtliche Haftung des Beklagten als Vorstandsmitglied einer zu gründenden Aktiengesellschaft.

Der zunächst arbeitslose Beklagte schloss am 19.01.2004 auf Vermittlung des Arbeitsamtes K mit der „O AG Finanzkanzlei Wirtschafts- und Unternehmensberatung” in K, vertreten durch den Aufsichtsratsvorsitzenden K K einen Vertrag über die Anstellung als Vorstand (Kopie Bl. 34 ff d.A.).

Die „O AG” stellte sodann u.a. den Kläger mit Arbeitsvertrag 29.01.2004 zu einem Bruttojahresgehalt von 60.000,00 EUR als leitenden Angestellten für das Finanzmanagement mit Wirkung zum 15.02.2004 ein. Für die „O AG” unterzeichneten Herr K als „Aufsichtsrat” und der Beklagte als „Vorstand”. Die „O AG”, die noch nicht existierte und aus der O Holding GmbH entstehen sollte, bat die eingestellten Mitarbeiter, sich auf Abruf bereit zu halten, weil weder die Büroeinrichtung noch die sonstigen für den Geschäftsbetrieb notwendigen Grundlagen vorhanden waren.

Zu einer Eintragung der „O AG” in das Handelsregister kam es nicht mehr. Das Anstellungsverhältnis des Beklagten wurde mit Schreiben vom 04.05.2004 gekündigt (Kop. Bl. 45 d.A.). Weder der Kläger noch der Beklagte erhielt eine Vergütung seitens der „O AG”.

Das Arbeitsgericht hat der auf Entgeltzahlung für die Zeit vom 15.02. bis zum 30.06.2004 gerichteten Klage mit Urteil vom 31.01.2005 stattgegeben und dies mit der Haftung des Beklagten nach § 41 Abs. 1 S. 2 AktG in Verbindung mit § 615 BGB begründet.

Gegen das ihm am 02.03.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte am 09.03.2005 Berufung eingelegt, die er am 26.04.2005 begründet hat. Er wendet sich gegen die vom Arbeitsgericht angenommene sogenannte Handelndenhaftung nach § 41 Abs. 1 AktG. Die Haftung scheitere schon daran, dass für eine rechtswirksame Vertretung der AG die Unterschrift von zwei Mitgliedern des Vorstands erforderlich gewesen sei, was dem Kläger auch bekannt gewesen sei. Im Übrigen fehle es an der für eine Haftung notwendigen „Vor-AG” als Gesamthandelsgesellschaft eigener Art, weil die „Umgründung” der O Holding GmbH überhaupt nicht in Angriff genommen worden sei. Es gebe weder einen entsprechenden Beschluss der GmbH-Gesellschafter noch irgendeine notarielle Gründungsurkunde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.01.2005 – 1 Ca 8883/04 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil aus Rechtsgründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die für die Vergütungsansprüche des Klägers allein in Betracht kommende Handelndenhaftung des Beklagten nach § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG ist entgegen der Auffassung des Klägers und ihm folgend des Arbeitsgerichts nicht begründet.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG besteht die AG vor der Eintragung in das Handelsregister als solche nicht. Satz 2 bestimmt, dass derjenige, der vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen handelt, persönlich haftet; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. Das sind im allgemeinen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs, also die Vorstandsmitglieder, unter Umständen auch Aufsichtsratsmitglieder, soweit sie die AG im Außenverhältnis vertreten. Auch wer nicht Vorstandsmitglied ist, sich aber als solches geriert, muss die Haftung nach § 41 Abs. 1 und 2 AktG als „faktisches Organmitglied” hinnehmen (BGHZ 65, 378, 380 f.; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 41 Rz. 20 m.w.N.).

Diese subjektive Haftungsvoraussetzung ist im Streitfall ebenso gegeben wie das objektiv notwendige rechtsgeschäftliche Handeln im Namen der – nicht existenten – „O AG”. Es fehlt aber an der für die Handelndenhaftung weiter erforderlichen Entstehung der sog. Vor-AG.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner neueren Rechtsprechung zu der entsprec...

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