Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von zu vergütenden Überstunden und in das Arbeitszeitkonto aufzunehmende Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Auslegung: Überstundendefinition im Versorger-TV (wortgleich mit TVöD) für Schichtarbeit mit Arbeitszeitkonto
Leitsatz (redaktionell)
Nicht jede Abweichung von der individuellen Arbeitszeit stellt eine Überstunde dar. Vielmehr kann diese Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres auszugleichen sein.
Normenkette
TV-V i.d.F. des 10. Änderungstarifvertrages § 9 Fassung: 2014-04-01; TV-V i.d.F. des 10. Änderungstarifvertrages § 10 Fassung: 2014-04-01
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 27.04.2017; Aktenzeichen 6 Ca 6748/16) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.04.2017 - 6 Ca 6748/16 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, für Arbeitsstunden, die im ersten Halbjahr 2016 vom Kläger geleistet wurden Überstundenvergütung zu leisten und 30-prozentigen Überstundenzuschlag zu zahlen.
Der Kläger ist seit dem 09.06.1975 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist zuletzt in Wechselschicht eingesetzt worden. Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung ist der Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe (TV-V) im Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Dieser liegt in der Fassung des 10. Änderungstarifvertrages vom 01.04.2014 vor. § 9 des TV-V ist im Wortlaut identisch mit § 7 TVöD, zu dem eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (6 AZR 800/11 vom 25.04.2013) vorliegt. Die Entscheidung behandelt die auch hier streitige Frage, wann im Rahmen von Wechselschicht Überstunden gegeben sind.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 39 Stunden. Zum Ende des Jahres 2015 hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung zur Wechselschichtarbeit vereinbart. Zuvor wurden die Schichten für ein komplettes Jahr im Voraus fest eingeteilt. Dies bedeutete, dass Überstunden nach der unstreitigen Auslegung des TV-V nur dann anfielen, wenn dieser Jahresschichtplan nachträglich eine Änderung erfuhr oder zum Jahresende die durchschnittliche regelmäßige Wochenarbeitszeit überschritten war.
Nach der neuen Betriebsvereinbarung erfolgt ebenfalls zunächst eine Jahresplanung. Innerhalb dieser fallen in einem Zeitraum von fünf Wochen jeweils 22 Arbeitstage an. Bei der Aufstellung des Jahresplanes sind aber so genannte Flex-Wochen enthalten. Diese umfassen 8 Kalendertage, von denen 3 Tage fest verplant und 5 Tage als mögliche Arbeitstage geplant werden. Erst mit der jeweiligen Monatsplanung legt die Beklagte fest, welche konkreten Tage innerhalb der Flex-Woche tatsächlich mit Arbeitszeit belegt sind. Die Flex-Wochen dienen insbesondere dazu, im Monatsplan Urlaubswünsche und Erkrankungen flexibel abfangen zu können, die am Jahresanfang noch nicht bekannt sind. In dem bisherigen Jahresplan hatte eine solche Planänderung generell Überstunden ausgelöst, da dies eine Abweichung vom Schichtplan darstellte.
Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto, welches nach § 11 TV-V durch Betriebsvereinbarung geregelt werden kann und geregelt wurde. Das Arbeitszeitkonto gilt auch für Arbeitnehmer in Wechselschicht. Es sieht einen Ausgleichszeitraum von jeweils einem Kalenderjahr vor.
Soweit kurzfristige Änderungen des Monatsschichtplans anfallen, vergütet die Beklagte den Überstundenzuschlag und zahlt die geleistete Arbeitsstunde mit der Monatsabrechnung aus, bzw. schreibt sie auf Wunsch der Arbeitnehmer einem gesonderten Arbeitszeitkonto gut. Diese Stunden sind vorliegend nicht im Streit. Ferner zahlt die Beklagte die Stunden, die das Arbeitszeitkonto über 80 Stunden hinaus überschreiten würden sofort mit der folgenden Monatsabrechnung aus. Dies entspricht der Betriebsvereinbarung.
Streitig zwischen den Parteien ist, ob § 9 Abs. 8 TV-V dahin auszulegen ist, dass immer dann, wenn bereits innerhalb eines Monats durch die im Monatsschichtplan geplante Arbeit die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit überschritten wird, die überschreitenden Stunden Überstunden sind, für die Überstundenzuschlag gemäß § 10 TV-V zu zahlen ist und diese sofort auszuzahlen sind.
Der Kläger versteht den Tarifvertrag so, dass Schichtplan und Schichtplanturnus im Sinne des § 9 Abs. 8 Buchst. c TV-V dasselbe sind. Schichtplan sei danach der jeweils endgültig fixierte Monatsplan nicht aber die Jahresplanung, die die endgültige Lage der Arbeitstage in den Flex-Wochen noch nicht enthält.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass jedenfalls der Schichtplanturnus, der für die Länge des Ausgleichszeitraumes im Sinne des § 9 Abs. 8 Buchst. c TV-V maßgeblich ist, das Kalenderjahr ist. Dementsprechend stellt sie die in einzelnen Monaten überplanten Arbeitszeiten in das Arbeitszeitkonto des Klägers ein.
Im Jahr 2016 hat sie in der Zeit bis zum 30.06.2016 durch Einteilung des Klägers im Monatsschichtplan insgesamt die dur...