Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerbegriff. freie Mitarbeitarbeitnehmer. ähnliche Person. Abgrenzung zum Selbständigen. Möglichkeit der Leistungserbringung durch Dritte
Leitsatz (amtlich)
Die Möglichkeit der Leistungserbringung durch Dritte ist ein wesentliches Merkmal des selbständigen Tätigwerdens, das mit dem Status eines Arbeitnehmers grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist. Der regelmäßige Einsatz von Drittkräften spricht daher für das Vorliegen eines Dienstvertrags, der ohne weiteres ordentlich gekündigt werden kann (hier: Vertrag über die Wartung und Beaufsichtigung einer öffentlichen Bedürfnisanstalt).
Normenkette
BGB §§ 611, 621-622; SGB IV § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 05.08.2011; Aktenzeichen 5 Ca 4842/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 05.08.2011 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen - 5 Ca 4842/10 d - wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über den Status der Klägerin als Arbeitnehmerin oder Selbständige sowie über Vergütungsansprüche für die Monate April und Mai 2011.
Durch Vertrag vom 01.07.1997 übernahm die Klägerin, die bereits seit dem 03.04.1989 bei der Beklagten bzw. deren eigenbetriebsähnlichen Einrichtung "D Servicebetrieb" als Reinigungskraft in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt wurde, die Wartung und Beaufsichtigung der öffentlichen Bedürfnisanstalt (ÖBA) am Rathaus der Beklagten. Der Vertrag (Kopie Bl. 7 ff. d. A.) wurde in der Folgezeit durch zwei Ergänzungsvereinbarungen sowie einen Nachtrag zwischen den Parteien geändert (Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 09.05.2011). Gemäß Nachtrag vom 14.05.2008 beträgt das Entgelt monatlich 1.045,46 € zuzüglich der jeweils gültigen Mehrwertsteuer.
Mit Schreiben vom 29.11.2010 (Kopie Bl. 16 d. A.) kündigte die Beklagte den Vertrag über die Wartung und Beaufsichtigung der ÖBA am Rathaus fristgerecht zum 31.03.2011.
Das Arbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 05.08.2011 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien sei kein Arbeitsverhältnis begründet worden, weil die Klägerin nicht zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet gewesen sei. Die Klägerin sei auch gar nicht in der Lage gewesen, die übernommenen Leistungspflichten allein zu erfüllen, sondern habe ihrerseits Aushilfen gegen Vergütung eingesetzt. Zudem habe sie im Hinblick auf den Abschluss von Nutzungsverträgen mit Drittveranstaltern einen eigenen Dispositionsspielraum gehabt, aus dem sie Mehreinnahmen erzielt habe. Bei einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände sei festzustellen, dass die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin für die Beklagte tätig gewesen sei.
In einem Sozialgerichtsverfahren, das die hiesige Beklagte als Klägerin gegen die A R wegen der Aufhebung eines Bescheids vom 18.11.2009 mit der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV führt, hat das Sozialgericht Aachen die Klage mit Urteil vom 11.08.2011 (S 2 KR 138/10) abgewiesen. Das Berufungsverfahren ist vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 1 KR 501/11) anhängig.
Mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts verfolgt die Klägerin ihre Kündigungsschutzklage weiter und meint, wegen des Fehlens jeglichen Unternehmerrisikos und der Weisungsgebundenheit bei der Erfüllung ihrer Vertragspflichten habe ein Arbeitsverhältnis vorgelegen.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.08.2011 - 5 Ca 4842/10 b -
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 29.11.2010 mit Ablauf des 31.03.2011 sein Ende gefunden hat;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.090,92 € netto für die Monate April und Mai 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.045,46 € seit dem 01.05.2011 und aus 1.045,46 € seit dem 01.06.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin sei bei der Wartung und Beaufsichtigung der ÖBA nicht als Arbeitnehmerin tätig geworden. Sie habe die Leistungen nicht in Person erfüllen müssen und habe sie tatsächlich im Wesentlichen durch Dritte erbringen lassen. Das sei auch keine seltene Ausnahme, sondern wegen der anderweitigen Bindung der Klägerin der Regelfall gewesen. Die Klägerin selbst sei nur bei Großveranstaltungen oder besonderen Ereignissen vor Ort gewesen. Sie habe im Rahmen ihrer Dispositionsmöglichkeiten selbst Personal eingestellt und Weisungen erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat die Akten des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zum Verfahren L 1 KR 501/11 beigezogen und zum Gegenstand de...