Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. Zweistufige Ausschlussfristen
Leitsatz (redaktionell)
Für die verfassungskonforme Auslegung der Klageerhebung auf der zweiten Stufe der hier zu überprüfenden tariflichen Ausschlussfrist, ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 01.12.2010 (1 BvR 1682/07) die Tragweite des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz zu beachten. Danach ist es dem Kläger im Hinblick auf die Kostenrisiken eines Leistungsantrags oder eines unechten Hilfsantrags nicht zumutbar, Ansprüche auf Annahmeverzugslohn bereits einzuklagen, bevor der Rechtsstreit über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses abgeschlossen ist, weil diese Anträge insgesamt oder zumindest mit Blick auf die Anwaltsgebühren als Streitwert erhöhend angesehen werden. Diesen Anforderungen wird eine Auslegung gerecht, die bereits die Erhebung der Kündigungsschutzklage bzw. Bestandschutzklage als ausreichend ansieht, um das Erlöschen der vom Ausgang des Erstbestandsschutzstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern.
Normenkette
BGB § 615
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 06.07.2006; Aktenzeichen 3 Ca 3941/05) |
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil dfes Arbeitsgerichts Bonn vom 06.07.2006 – 3 Ca 3941/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungszahlung aus Annahmeverzug bzw. Schadensersatz sowie Erstattungszahlung an die Bundesagentur für Arbeit.
Der Kläger absolvierte bei der Beklagten vom 01.09.2001 bis zum Bestehen seiner Abschlussprüfung am 06.07.2004 eine Berufsausbildung zum Fachinformatiker Fachrichtung Systemintegration. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 06.07.2005 wurde die Beklagte verpflichtet, an den Kläger das Angebot abzugeben, ihn ab dem 07.07.2004 befristet für 12 Monate in ein Vollzeitarbeitsverhältnis des konzerneigenen Betriebs der Beklagten „V.” zu übernehmen. Der Kläger nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 19.09.2005 und 25.10.2005 an. In dem Berufungsverfahren beantragte der Kläger „äußerst hilfsweise” die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 19.704,00 EUR brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes zu zahlen. Mit dem Schreiben vom 25.10.2005 forderte der Kläger von der Beklagten Zahlung der Bruttovergütung für die Zeit vom 07.07.2004 bis 06.07.2005 in Höhe von 19.766,80 EUR abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 4.850,22 EUR. Nach vorprozessualer Ablehnung der Beklagten verlangt er diese Vergütung nunmehr mit seiner am 28.12.2005 eingegangenen Klage weiter. Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs sowie der Erstattung auf Arbeitslosengeld in Prozessstandschaft für die Bundesanstalt für Arbeit stattgegeben. Auf das Urteil wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiter die Auffassung vertritt, dass ein Annahmeverzugsanspruch nicht besteht. Darüber hinaus sei der Vergütungsanspruch verfallen.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweise Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Ansprüche seien nicht verfallen. Die Anwendung des Tarifvertrages werde bestritten. Die Vergütungsansprüche könnten erst verfallen, wenn sie entstanden und fällig geworden seien. Dies sei frühestens mit Annahme des Vertragsangebotes der Beklagten der Fall gewesen, also mit dem 25.10.2006. Im Übrigen sei die Vergütung in dem Berufungsverfahren hilfsweise eingeklagt und mit Schreiben vom 25.10.2005 rechtzeitig geltend gemacht. Schließlich stehe dem Kläger, soweit tatsächlich Verfall eingetreten sei, gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe des Entgeltanspruchs wegen Verstoß gegen das Nachweisgesetz zu.
Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag (§ 31 MTV) verfallen sei, weil die zweite Stufe der Verfallfristen (§ 31 Abs. 4 MTV) eingreife, da der Kläger die Zahlungsklage nicht rechtzeitig erhoben habe. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu unter I.2.b.gg.:
Der Kläger hat jedoch die 2. Stufe der Ausschlussfrist (§ 31 Abs. 4 MTV) nicht gewahrt. Danach ist, wenn die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis trotz Geltendmachung durch Bestreiten in Schriftform nicht erfüllt werden, innerhalb einer Frist von 2 Monaten Klage zu erheben. Die Beklagte hat die Annahmeverzugsansprüche schriftlich im bereits genannten Vorprozess (2. Halbjahr 2004) mit angekündigtem Klageabweisungsantrag bestritten. Auch insoweit ist die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsschutzprozess heranzuziehen. Danach stellt der vom Arbeitgeber vor der Antragstellung im Kündigungsschutzprozess schriftsätzlich angekündigte und dem Arbeitnehmer bzw. seinem Prozessbevollmächtigten zugegangene Klageabweisungsantrag eine ...