Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsänderung. Abfindungsanspruch neben der Kündigungschutzklage?. Konkursausfallgeld. Anspruchsübergang und Aktivlegitimation (Bestimmtheit)
Leitsatz (amtlich)
1. Steht (rechtskräftig) fest, daß eine betriebsbedingte Kündigung rechtsunwirksam ist, dann ist der ausdrücklich kumulativ und nicht hilfsweise anhängig gemachte Klageantrag auf Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG zwar nicht unzulässig, aber unbegründet.
2. Läßt der bezifferte Klageantrag i.V.m. der Klagebegründung nicht erkennen, in welchem Umfang trotz unstreitiger Leistung von Konkursausfallgeld der Anspruchsübergang nach § 141 m AFG im Wege steht, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Normenkette
BetrVG §§ 111, 113; AFG §§ 141a, 141n; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 01.07.1994; Aktenzeichen 2 Ca 9440/93) |
Tenor
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.07.1994 – 2 Ca 9440/93 – wird zurückgewiesen.
2) Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts zu den in Ziffern 2) und 3) des dortigen Urteilstenors ausgeurteilten Zahlungsansprüchen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 29,77 netto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1993 zu zahlen.
Im übrigen wird der Kläger auch insoweit mit der Klage abgewiesen.
3) Im übrigen wird die Anschlußberufung zurückgewiesen.
4) Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5; die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.
5) Streitwert: 63.767,00 DM.
Tatbestand
Der am 30.06.1951 geborene Kläger war seit dem 28.10.1974 in dem Speditionsbetrieb der Beklagten mit mehr als zwanzig Arbeitnehmern als Kraftfahrer und zuletzt als Lagerarbeiter beschäftigt; sein Monatslohn betrug 3.800,00 DM brutto zuzüglich einer „Treueprämie” von monatlich 135,00 DM (Gehaltsabrechnungen für die Monate September und Oktober 1993 Blatt 4 und Blatt 9 der Akte). Die Beklagte erklärte mit dem Schreiben vom 11.10.1993, dem Kläger zugegangen am 13.10.993 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.10.1993; der Kläger hat wegen dieser Kündigung die am 20.10.1993 bei dem Arbeitsgericht eingereichte Feststellungsklage erhoben (Blatt 1 der Akte). Mit weiteren Klageänträgen hat der Kläger unter Hinweis auf die erteilten Gehaltsabrechnungen, Vergütungsansprüche für die Monate September und Oktober 1993 eingeklagt, die Berichtigung des ihm am 15.10.1993 erteilten Zeugnisses verlangt und daneben unter Hinweis auf § 113 Abs. 3 BetrVG die Zahlung einer Abfindung begehrt. Durch Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 22.12.1993 (Ablichtung Blatt 29 der Akte) ist der Antrag der AOK Köln vom 05.11.1993 auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgewiesen worden.
Der Kläger hat zur Begründung des genannten Klageantrages auf Abfindung die Auffassung vertreten, es läge eine Betriebsänderung vor, und die Beklagte habe es unterlassen, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich herbeizuführen. Um eine Betriebsänderung handele es sich deshalb, weil der Betrieb im wesentlichen nach § 613 a BGB von der Firma … und … GmbH übernommen worden sei; im Zusammenhang mit dieser Übernahme sei jedoch die Anzahl der Mitarbeiter des Betriebes von 25 auf 10 reduziert worden, damit seien die Voraussetzungen einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG erfüllt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 11.10.1993, aufgelöst worden ist, sondern über den im Kündigungsschreiben genannten Zeitpunkt zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte zu verurteilen, an ihn
2.963,20 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1993 zu zahlen.
Die Beklagte zu verurteilen, an ihn
6.373,49 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.11.1993 zu zahlen.
- Die Beklagte zu verurteilen, das am 15.10.1993 erteilte Zeugnis durch die Formulierung zu ergänzen: „Der Kläger erledigte die ihm übertragenen Aufgaben zu unser vollsten Zufriedenheit”.
- Die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, zum 15.10.1993 habe sie ihre Geschäftstätigkeit vollständig eingestellt. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG sei jedenfalls seitens der Beklagten nicht durchgeführt worden. Ein Betriebsübergang liege deshalb nicht vor, weil sie ihr Unternehmen nicht an die Firma … und … verkauft habe; dies sei dadurch ausgeschlossen gewesen, daß entweder Sicherungsübereignungen oder Pfändungen seitens des Finanzamtes vorgelegen hätten. Mit der Einstellung des Geschäftsbetriebes habe sie sämtliche Arbeitnehmer entlassen. Ferner hat die Beklagte darauf hingewiesen, der Kläger sei wegen der Vergütungsansprüche nicht aktiv legitimiert, weil er beim Arbeitsamt ebenso wie sämtliche entlassenen Arbeitnehmer Konkursausfallgeld beantragt habe. Dazu hat die Beklagte im Verhandlungsterm...