Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkung eines Tarifvertrags. Ungerechtfertigte Bereicherung
Leitsatz (redaktionell)
Das Vertrauen darauf, dass eine systemwidrige Gehaltsregelung nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer in einem Änderungstarifvertrag korrigiert wird, ist nicht schutzwürdig.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 818 Abs. 1, 3-4
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 13.07.2005; Aktenzeichen 12 Ca 1498/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.07.2005 – 12 Ca 1498/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der tariflichen Vergütung.
Der Kläger ist aufgrund Arbeitsvertrages vom 18.10.1999 ab 22.10.1999 als Flugzeugführer bei der Beklagten beschäftigt. Er übt die Funktion eines ersten Offiziers (SFO) aus. Die Ziffer 2. des Arbeitsvertrages bestimmt, dass sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten u.a. nach den Tarifverträgen der Lufthansa in der jeweils geltenden Fassung richten. In § 3 Abs. 3 des danach in Bezug genommenen Vergütungstarifvertrages Nr. 8 vom 08.06.2001 heißt es:
„(3) Ab Ernennung zum I. Offizier (einschließlich Senior First Officer), Cruise Relief Co-Pilot, I. Flugingenieur (einschließlich Senior Flugingenieur) oder I. Fluglehrer beträgt die Grundvergütung 7.900,00 DM.
Die Grundvergütung wird bei Vollendung von jeweils einem Beschäftigungsjahr als I. Offizier, I. Flugingenieur oder I. Fluglehrer um einen Steigerungsbetrag von 565,00 DM erhöht, so lange sie unterhalb von 11.290,00 DM liegt. Beträgt die Grundvergütung 11.290,00 DM oder mehr, wird sie bei Vollendung von jeweils einem Beschäftigungsjahr als I. Offizier (einschließlich Senior First Officer), Cruise Relief Co-Pilot, I. Flugingenieur (einschließlich Senior Flugingenieur) oder I. Fluglehrer um einen Steigerungsbetrag von 226,00 DM erhöht, jedoch höchsten auf 14.611,32 DM bei I. Offizieren (einschließlich Senior First Officer), Cruise Relief Co-Piloten und Fluglehrer-Co-Piloten.”
Diese Regelung wurde durch Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 07.02.2003 mit Wirkung vom 01.02.2001 insoweit geändert, dass der Betrag von 11.290,00 DM durch 11.288,22 DM ersetzt wurde. Nach dem Vortrag der Beklagten beruhte dies darauf, dass die Umstellung der Vergütung vom VTV Nr. 7 auf die neue Vergütung nach VTV Nr. 8 dazu geführt hatte, dass Cockpit-Mitarbeiter mehr als die nach der Tarifsystematik vorgesehenen 6 großen Steigerungen erhielten. Ebenfalls unter dem 07.02.2003 wurde rückwirkend zum 01.02.2001 der Änderungstarifvertrag Nr. 2 geschlossen, der lautet:
Es wird eine Protokollnotiz IV mit folgendem Wortlaut eingefügt:
Für Cockpitmitarbeiter, deren Grundvergütung vor Abschluss des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum Vergütungstarifvertrag Nr. 8 Cockpitpersonal C. um einen Steigerungsbetrag nach § 3 Abs. (3) Satz 2 VTV Nr. 8 erhöht wurde, obwohl ihre Grundvergütung bereits 11.288,22 DM oder mehr betrug, finden die folgenden Steigerungen der Grundvergütung mit der Maßgabe Anwendung, dass diese um den überschiessenden Betrag dieser Steigerung abgesenkt vorgenommen werden.
Zu dem von dieser Regelung betroffenen Personenkreis gehörte der Kläger. Die Beklagte ermittelte für den Kläger einen Rückrechnungsbetrag in Höhe von 1.312, 65 EUR brutto was netto 859,56 EUR entspricht (für den Zeitraum 01.01. bis 30.09.2004), den sie mit Schreiben vom 12.10.2004 geltend machte und ab Oktober 2004 ratenweise von der laufenden Vergütung des Klägers einbehielt.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger die Auszahlung dieses Betrages von 859,56 EUR. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Rückforderung sei gemäß § 814 BGB ausgeschlossen, da die Beklagte in Kenntnis der Nichtschuld geleistet habe. Außerdem hat der Kläger den Wegfall der Bereicherung eingewandt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 859,56 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2005 zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht:
Die Regelung in den Änderungstarifverträgen (ATV) Nr. 1 und 2 sei wirksam. § 814 BGB greife nicht ein, da diese Zuvielzahlung nicht bewusst, sondern irrtümlich erfolgt sei.
Der Vortrag des Klägers dazu, dass er entreichert sei, sei unsubstantiiert.
Durch Urteil vom 13.07.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem ÄTV 2 sei die Beklagte berechtigt, die aufgrund von Berechnungsungenauigkeiten ausgezahlten Steigerungsraten nach einer siebten großen Gehaltssteigerung, die von den Tarifvertragsparteien nicht vorgesehen war, vom Kläger zurückzufordern. Dies habe der Kläger auch im Grundsatz anerkannt. Dieser Rückforderungsanspruch sei nicht wegen § 814 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte habe nicht positiv gewusst, dass sie zur Zahlung nicht verpflichtet gewesen sei. Auch der Einwand des Klägers, er sei nicht mehr bereichert im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB, sei nicht begründet.
Wegen...