Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung einer Zulage als IT-Fachbetreuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird einem Arbeitnehmer allein deshalb, weil er als Personalratsmitglied vollständig freigestellt wird, eine Funktionszulage als IT-Fachbetreuer entzogen, liegt eine Benachteiligung wegen Personalratstätigkeit gemäß § 8 BPersVG vor.

2. Der Anspruch auf Fortzahlung der Zulage folgt auch aus § 46 Abs. 2 BPersVG.

 

Normenkette

BPersVG § 46 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 31.03.2009; Aktenzeichen 16 Ca 9340/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.11.2011; Aktenzeichen 7 AZR 458/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.03.2009 – 16 Ca 9340/08 – wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.03.2009 teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.057,00 EUR nebst 5 % Prozentpunkten an Zinsen über dem Basiszinssatz auf 187,00 EUR monatlich beginnend mit dem 01.03.2009 zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch über den Zeitraum Dezember 2009 hinaus für die Dauer der Freistellung des Klägers als Personalratsmitglied die IT-Fachbetreuerzulage an den Kläger zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Fortzahlung einer Funktionszulage für IT-Fachbetreuer während der Zeit der vollständigen Freistellung des Klägers als Personalratsmitglied.

Der Kläger ist bei der Beklagten, der B, als Arbeitsvermittler mit Beratungsaufgaben beschäftigt und in Tarifgruppe IV eingruppiert. Er erhält eine tätigkeitsabhängige Funktionszulage in Höhe von 181,00 EUR brutto. Darüber hinaus war ihm die Funktion des IT-Fachbetreuers zugewiesen. Dafür erhielt er eine weitere monatliche Zulage von nochmals 181,00 EUR brutto (Übertragungsschreiben vom 23.11.2006 – Bl. 83 d. A.).

Seit September 2006 ist der Kläger Personalratsvorsitzender bei der A in B. Seit Mai 2008 ist er vollständig von der Arbeit freigestellt. Mit Schreiben vom 15.10.2008 (Bl. 7 d. A.) widerrief die Beklagte mit Ablauf des 30.09.2008 die übertragenen Aufgabe „IT-Fachbetreuer”. In der Dokumentation eines Mitarbeitergesprächs, das am 04.08.2008 und am 25.09.2008 stattgefunden hat, hieß es zur Begründung des Widerrufs der Funktion IT-Fachbetreuer (Bl. 91 d. A.):

„Wäre Herr H nicht als Personalratsvorsitzender freigestellt und würde weiterhin als Arbeitsvermittler tätig sein, würde ein Entzug der Fachbetreuertätigkeit und der damit verbundenen tätigkeitsunabhängigen Funktionszulage nicht stattfinden.”

Ab Oktober 2008 zahlte die Beklagte die IT-Funktionszulage nicht mehr an den Kläger.

Mit Schreiben vom 16.10.2008 machte der Kläger seine Ansprüche auf Fortzahlung der Zulage geltend und erhob – nach Ablehnung durch die Beklagte – Klage zunächst für den Monat Oktober 2008, später im Wege der Klageerweiterung für die Monate November und Dezember 2008 und Januar 2009.

Durch am 31.03.2009 verkündetes Urteil, das der Beklagten am 24.02.2010 zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Fortzahlung der Funktionszulage gemäß § 46 Abs. 2 BPersVG. Es handele sich nicht um eine Zulage, die einen besonderen Aufwand abdecke. Dem Fortzahlungsanspruch des Klägers stehe auch der Widerruf seiner Bestellung zum IT-Fachbetreuer nicht entgegen. Denn nach dem Lohnausfallprinzip sei auf den hypothetischen Verlauf ohne die Freistellung des Klägers abzustellen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 23.09.2009 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 30.11.2009 am 27.11.2009 begründen lassen.

Die Beklagte hat die Berufung zunächst damit begründet, dass das am 31.03.2009 verkündete Urteil nicht innerhalb von 5 Monaten zur Geschäftsstelle gelangt und zugestellt worden sei. Desweiteren hat die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung darauf abgestellt, dass § 46 BPersVG den in § 8 BPersVG enthaltenen Grundsatz konkretisiere, wonach Personalratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Das Gesetz verbiete jede materielle Besserstellung. Eine solche verlange der Kläger aber, wenn er die Fortzahlung der IT-Zulage vorliegend geltend mache. Zu den fortzuzahlenden Bezügen gehörten nicht Aufwandsentschädigungen, die solche Aufwendungen abgelten sollten, die dem Personalratsmitglied infolge seiner Befreiung von der Dienst- oder Arbeitspflichten nicht entstünden. Die im vorliegenden Fall streitige tätigkeitsunabhängige Funktionsstufe sei nicht Besoldung, weil die zusätzlich übertragene Funktion als IT-Fachbetreuer nicht hierzu gehöre, sondern quasi eine dienstlich gewünschte „Nebentätigkeit” darstelle, also tätigkeitsunabhängig sei und lediglich die Mehrbelastung durch diese Nebentätigkeit ausgleichen solle. Diese Nebentätigkeit können im Rahmen des Direktionsrechts jederzeit wid...

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