Rechtsmittel zugelassen
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze über die „Verwirkung der Klagebefugnis” gelten auch für die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Aufhebungsvertrages.
Normenkette
BGB §§ 142, 242
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 14.12.1995; Aktenzeichen 1 Ca 1853/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 14.12.1995 – 1 Ca 1853/95 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die zwei Beklagten sind Rechtsanwälte in einer Sozietät. Die Klägerin, geboren am 05.12.1929, also jetzt 67 Jahre alt, hat für sie seit April 1992 mit einer Unterbrechung Buchhaltungsarbeiten erledigt, zum Teil zu Hause, zum Teil im Büro, dort nach ihren Angaben auch weitere Arbeiten. Sie hat den Beklagten (dem Beklagten 1) je Stunde 20 DM in Rechnung gestellt zuzüglich Mehrwertsteuer (Bl. 30, 34, 35 d. A.). Am 22.04.1994 haben die Klägerin und der Beklagte 1) vereinbart, daß die Mitarbeit beendet ist (Bl. 190 d. A.). Mit Schreiben vom 17.05.1994 hat die Klägerin geltend gemacht, daß das Rechtsverhältnis in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis gewesen sei, und ihre Unterzeichnung angefochten wegen Irrtums und Drohung (Bl. 18 d. A.). Mit Schreiben vom 16.06.1994 hat sie eine einvernehmliche Lösung durch Zahlung eines Betrages von 8.000 DM nebst 15 % Mehrwertsteuer angeboten (Bl. 20 ff. d. A.) und nach weiterer Korrespondenz (Bl. 103 ff. d. A.) und Telefonaten, zuletzt am 18.11.1994 (Beklagte) oder „im Dezember” 1994 (Klägerin) schließlich am 11.07.1995 Klage erhoben und beantragt,
festzustellen, daß zwischen den Beklagten und der Klägerin ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Ihre Begründung ergibt sich aus der Klageschrift und den Schriftsätzen vom 22.09. und 23.11.1995.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihre Erwiderung ergibt sich aus ihren Schriftsätzen vom 02.11. und 05.12.1995.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, die Klägerin hiergegen Berufung eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Ihre Begründung ergibt sich aus ihren Schriftsätzen vom 25.06.1996 und 08.01.1997, die Erwiderung der Beklagten aus deren Schriftsätzen vom 25.08. und 26.11.1996.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist statthaft gemäß § 64 ArbGG. Sie ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Diesbezügliche Feststellungen des Gerichts ergeben sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 16.10.1996.
II. Die Berufung ist nicht begründet.
1. Es kann unterstellt werden, daß das Rechtsverhältnis, das zwischen der Klägerin und den Beklagten bestanden hat, ein Arbeitsverhältnis gewesen ist und die Beendigungsvereinbarung der Klägerin mit dem Beklagten 1) vom 22.04.1994 nichtig ist aufgrund der Anfechtung der Klägerin vom 17.05.1994. Die Klägerin kann sich jedoch nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf die Nichtigkeit nicht mehr berufen, weil sie sie nach der Anfechtung und der Ablehnung der Beklagten nicht alsbald gerichtlich geltend gemacht hat und es den Beklagten nicht mehr zugemutet werden kann, dem verspäteten Begehren der Klägerin zu entsprechen, d. h., die Klägerin wieder als Buchhalterin zu beschäftigen. Im Bezug auf Kündigungen und Befristungen ist allgemein anerkannt, daß eine Rechtsunwirksamkeit auch außerhalb der §§ 4 und 13 KSchG alsbald gerichtlich geltend gemacht werden muß und anderenfalls Verwirkung eintritt, wenn der Gegner im Vertrauen auf eine nicht mehr zu erwartende gerichtliche Klärung der Wirksamkeit entsprechende personelle Dispositionen getroffen hat (vgl. BAG Urteil vom 12.06.1987 – 7 AZR 461/86 – unter II. 3. der Gründe und KR-Rost 4. Aufl., KSchG § 7 Rn 33 ff). Im Bezug auf die Unwirksamkeit einer Befristung ist nunmehr sogar gesetzlich bestimmt, daß sie nur innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages mit der Klage geltend gemacht werden kann, § 1 Abs. 5 BeschFG in der Fassung ab 01.10.1996. Die genannte allgemeine Rechtsüberzeugung muß auch in Bezug auf die Nichtigkeit von Aufhebungsverträgen nach § 142 BGB (Anfechtbarkeit und Anfechtung) gelten. Denn die Sachlage ist die gleiche wie nach einer unwirksamen Kündigung oder unwirksamen Befristung. Eine unterschiedliche Behandlung wäre ein Wertungswiderspruch. Die Realitäten des Arbeitslebens verlangen auch bei einem Streit über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages in der Regel eine schnelle Klärung.
a) Die vorliegende Klage ist in diesem Sinne verspätet. Sie ist erst rund 14 Monate nach dem Aufhebungsvertrag (vom 22.04.1994) erhoben worden (am 11.07.1995) und – nach dem Vorbringen der Klägerin – erst sieben Monaten nach der letzten Ablehnung der Beklagten „im Dezember” 1994. Mit einer derart späten Klageerhebung braucht ein Arbeitgeber nach dem Gepflogenheiten des Arbeitslebens nicht mehr zu rechnen, wenn es einem Arbeitnehmer wirklich auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ank...