Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung. Fristenkontrolle
Leitsatz (amtlich)
Eine Frist darf im Fristenkalender nicht gestrichen werden, wenn der unterschriebene Schriftsatz nur in einen Postausgangskorb gelegt wird, danach aber noch von den Kanzleikräften auf „Verhakungen” geprüft, kuvertiert und frankiert werden muss, bevor er in eine Tasche gelegt wird, die bei der Post abgegeben wird.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 10.07.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1357/08) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 10.07.2008 – 1 Ca 1357/08 – wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache im Wege einer Vollstreckungsgegenklage – soweit das in der Zweiten Instanz noch anfällt – darum, ob aus den Ziffern 2 und 3 (Entgeltzahlung und Abfindung) des zwischen ihnen in einem vorausgegangenen Kündigungsrechtsstreit geschlossenen Vergleiches noch vollstreckt werden kann. Die Beklagte wendet Erfüllung ein. Es geht im Wesentlichen darum, ob die Beklagte durch die Abführung von Steuern und Auszahlung des restlichen Nettobetrages die Forderungen erfüllt habe. Der Beklagte ist der Auffassung, dass er weiterhin den vollen Bruttobetrag vollstrecken könne.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.07.2008 die Klage abgewiesen. Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 08.08.2008 zugestellt.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte am 05.09.2008 Berufung ein.
Innerhalb der bis zum 08.10.2008 laufenden Berufungsbegründungsfrist ging eine Berufungsbegründung nicht ein. Darauf wurde der Beklagte mit gerichtlichem Schreiben vom 21.10.2008, welches seinem Prozessbevollmächtigten am 22.10.2008 zuging, hingewiesen. Am 29.10.2009 ging der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten mit Berufungsbegründung per Fax beim Landesarbeitsgericht ein. Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.11.2008 wurde der Beklagte auf weitere ergänzungsbedürftige Fragen hingewiesen. Insbesondere wurde die Frage gestellt, wer die Berufungsschrift an welchem Datum postfertig gemacht habe, wer die an das Landesarbeitsgericht adressierte Berufungsbegründung an welchem Datum zur Post gebracht habe und wer unter welchem Datum die Erledigung der Zuleitung der Berufungsbegründungsschrift an das Landesarbeitsgericht im Fristenkalender eingetragen habe. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ergänzte seinen Vortrag zur Wiedereinsetzung mit Schriftsatz vom 09.11.2008, der am 11.11.2008 bei Gericht einging.
Der Prozessbevollmächtigte trägt zur Wiedereinsetzung Folgendes vor:
Er habe in der Nacht vom 14.09./15.09.2008 die Berufungsbegründung und ein Schreiben an die HUK wegen Gebührenfragen aus der ersten Instanz persönlich am PC verfasst. Er habe sodann sowohl den von ihm selbst ausgedruckten, gestempelten, unterschriebenen, gehefteten und gelochten, auf Heftstreifen gezogenen Berufungsschriftsatz (gemeint ist ersichtlich der Berufungsbegründungsschriftsatz) in ordnungsgemäßer Art und Weise in den Postausgangskorb gelegt. Gleiches gelte für das Anschreiben an die HUK.
Der Postausgangskorb sei für die Anwälte der Kanzlei grundsätzlich die letzte denkbare Station: Komme es vor, dass ein Schriftsatz einmal selbst angefertigt werde, würden die im Postausgangskorb befindlichen Poststücke der Obhut der erfahrenen und zuverlässigen Fachangestellten Frau P und Frau K überlassen. Sie würden auf Unterschrift kontrolliert, auf „Verhakungen”, sie würden kuvertiert und frankiert. Am Dienstende würden sie in eine gesonderte Tasche gelegt und bei der Post abgegeben. Es habe hier noch nie Anlass zur Klage gegeben. Das System funktioniere uneingeschränkt zuverlässig. Das Schreiben an die HUK sei dieser auch zugegangen.
Im ergänzenden Schriftsatz vom 09.11.2008 wird auf die Fragen des Gerichts weiter vorgetragen:
Wenn jemand in der vorliegenden Angelegenheit die Verantwortung trage, dann einzig der unterzeichnende Prozessbevollmächtigte. Die angestellten Damen hätten keinen Fehler gemacht. Er, der Prozessbevollmächtigte, habe alle relevanten Tätigkeiten bis in den Postkorb” durchgeführt. Von den Damen werde dann nur noch das Einkuvertieren, das Abstempeln in „der Frankiermaschine, das Zusammenpacken und das Austragen zum Briefkasten übernommen.
Es habe auch keine Postrückläufer gegeben.
Der Erledigungsvermerk in der vorliegenden Angelegenheit (Kopie aus dem Fristenbuch vom 02.10.2008, Bl. 136 d. A.) sei vom Prozessbevollmächtigten selbst angebracht worden, nämlich durch das geschwungene D auf der Kopie des Terminskalenders.
Das Datum der Streichung sei nicht notiert. Dessen Notierung sei auch nicht vorgesehen ebenso wie ein Postausgangsbuch nicht geführt werde. Die Regel sei, dass eine Frist nur gestrichen werden dürfe, wenn sie erledig...