Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. RTV Papier, Pappe, Kunststoff. Auslegung. Tarifvertrag. deklaratorisch. konstitutiv. eigenständig. Normsetzungswille
Leitsatz (amtlich)
Der RTV für Angestellte der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 07.03.1975 in der Fassung vom 20.12.1982 gibt keinen über § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz hinausgehenden Anspruch auf 100 % Entgeltfortzahlung.
Normenkette
EFG § 4
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 15.08.1997; Aktenzeichen 6 d Ca 46/97) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 15.08.1997 – 6 d Ca 46/97 – die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin während ihrer Erkrankung im Oktober und November 1996 mehr als 80 %ige Lohnfortzahlung zusteht.
Die Klägerin ist seit dem 01.09.1990 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Haustarifvertrag vom 10.04.1986 Anwendung.
Dieser verweist für die Angestellten auf den Rahmentarifvertrag für die Angestellten der Pappe, Papier und Kunststoffe verarbeitenden Industrie von Düren, Jülich und Euskirchen vom 07.03.1975 in der Fassung vom 20.12.1982 mit Ausnahme des § 7, Jahressonderzahlung.
§ 9 Ziffer 2 des Rahmentarifvertrages lautet wie folgt:
„In Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit oder während eines von einem Versicherungsträger bewilligten Heilverfahrens ist der regelmäßige Arbeitsverdienst weiter zu zahlen, jedoch insgesamt nicht über die Dauer von sechs Wochen hinaus.”
Im übrigen regelt § 9 RTV in Ziffer 1 die Anzeigepflicht bei Verhinderung, in Ziffer 3 die Lohnzahlung ohne Arbeit aus sonstigen Gründen und in Ziffer 4 die Lohnweiterzahlung im Sterbefall für Anhörige.
Die Klägerin hält die tarifvertragliche Regelung für eine konstitutive und eigenständige Regelung. Sie hält den Wortlaut für eindeutig.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 257,35 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 31.01.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die tarifvertragliche Regelung für lediglich deklaratorisch. Bei Inkrafttreten des RTV 1975 galten verschiedene gesetzliche Vorschriften zur Gehaltsfortzahlung für Angestellte, so § 616 Abs. 2 BGB, § 63 HGB und § 133 c der Gewerbeordnung. Diese gesetzlichen Regelungen erfaßten denselben Sachverhalt mit einem unterschiedlichen Wortlaut. Deshalb sei der Wortlaut des RTV nur eine Zusammenfassung der verschiedenen textlichen Ausgestaltungen der anwendbaren Gesetze. Deshalb könne aus der gewählten Formulierung des RTV nicht auf eine eigenständige Regelung geschlossen werden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat dabei ausgeführt, daß der Wortlaut des § 9 Abs. 2 RTV eine Formulierung enthält, die nicht mit den seinerzeit gültigen gesetzlichen Vorschriften übereinstimmt. Es hat weiter ausgeführt, daß die Tatsache, daß überhaupt eine Erklärung zur Lohnfortzahlungsverpflichtung in den Tarifvertrag aufgenommen wurde, einen auf Schaffung eines Zahlungsanspruchs abzielenden Normsetzungswillen erkennbar werden läßt.
Das Arbeitsgericht hat die Berufung im Urteil zugelassen.
Mit ihrer Berufung verweist die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine deklaratorische Regelung im Tarifvertrag gleichwohl auch dann gegeben sein kann, wenn die tarifvertragliche Formulierung nicht wortgleich mit dem Gesetz ist. Auch die Tarifgeschichte spreche für eine rein deklaratorische Regelung. Vor dem Jahr 1975 war im RTV keine Regelung über die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall enthalten. Nachdem für die gewerblichen Arbeitnehmer der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie ab dem 01.01.1970 in den Tarifvertrag aufgenommen worden war, daß sich die Lohnfortzahlung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz in seiner jeweiligen Fassung richte, wurde von Gewerkschaftsseite der RTV für die Angestellten zu 31.12.1974 gekündigt und gefordert, die Regelungen der Angestellten an diejenigen der Arbeiter anzupassen. Daraufhin erhielt der Tarifvertrag im Jahre 1975 die vorliegende Fassung. Nach Ansicht der Beklagten spricht dies dafür, daß in Anpassung an die für die gewerblichen Arbeitnehmer ausdrücklich enthaltene Gesetzesverweisung auch der Text des RTV nur als deklaratorische Klausel aufgefaßt werden kann.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 15.08.1997 – 6d Ca 46/97 – die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, daß zumindest bei der Änderung des Haustarifvertrages vom 14.11.1996 ein Hinweis darauf hätte erfolgen müssen, daß es sich nur um eine deklaratorische Regelung handelt. Bei diesem Haustarifvertrag war eine Anpassung im Hinblick auf die Arbeitszeitregelung des RTV vorgenommen worden. Im übrigen wurde...