Entscheidungsstichwort (Thema)
Chefarzt. Vergütung. mangelnde Einigung
Leitsatz (amtlich)
Kollegialärzte, die gemeinsam eine Abteilung leiten, sind regelmäßig nicht Chefarztvertreter sondern selbst Chefärzte, da kein ärztlicher Vorgesetzter die medizinische Letztverantwortung übernimmt. Ihre Vergütung ist damit tarifvertraglich nicht geregelt sondern nach § 612 BGB festzustellen. Eine Vergütung unterhalb der höchsten tarifvertraglichen Vergütungsgruppe kommt regelmäßig nicht in Betracht.
Normenkette
BGB §§ 612, 307
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 11.10.2007; Aktenzeichen 8 Ca 2020/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.10.2007 – Az.: 8 Ca 2020/07 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien über die Höhe der dem Kläger zu zahlenden Grundvergütung als Leitender Abteilungsarzt in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus.
Der Kläger ist Mitglied des Marburger Bundes. Die Beklagte war während der Dauer der Tarifgemeinschaft zwischen ver.di und Marburger Bund Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist unstreitig, dass die Tarifverträge zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und nicht die von der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifverträge zur Beurteilung der richtigen Vergütungshöhe des Klägers herangezogen werden müssen. Streitig ist lediglich, ob der Kläger nach Vergütungsgruppe III als Oberarzt oder nach Entgeltgruppe IV als Leitender Oberarzt zu vergüten ist oder ob die Vergütung als Chefarztvergütung oberhalb der höchsten Tarifgruppe liegen muss.
Der Kläger ist seit dem 01.05.1990 Arbeitnehmer der Beklagten in der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin. Bis zum November 2004 wurde diese Abteilung durch einen Chefarzt geleitet. Mit dessen Ausscheiden erwog die Beklagte, die Abteilung ganz zu schließen, einen neuen Chefarzt zu ernennen oder ein anderes Führungsmodell für diese Abteilung zu entwickeln. Die Beklagte, der Kläger, und die beiden weiteren Ärzte, D. M-M und K einigten sich darauf, die Abteilung zunächst befristet auf zwei Jahre von allen drei Ärzten als Kollegialärzte leiten zu lassen. Für diese befristete Zeit erhielten die Ärzte die bisher nach dem BAT errechnete Vergütung unverändert weiter. Nach Ablauf der zwei Jahre verhandelte die Beklagte erneut mit den drei Ärzten über die Leitungsstruktur der Abteilung. Am 19.01.2007 trafen die Parteien dabei die bereits im erstinstanzlichen Urteil zitierte Vereinbarung. Eine konkrete Vergütungshöhe wurde für die drei Ärzte nicht festgelegt. Dies beruhte darauf, dass die Beteiligten mit der getroffenen Vereinbarung zunächst die hergestellten Übereinkünfte festschreiben wollten, während aufgrund der massiven Tarifforderungen des Marburger Bundes und dessen Ausscheiden aus der Tarifgemeinschaft mit ver.di die tariflichen Vergütungsstrukturen und die konkrete Vergütungshöhe nicht feststand.
Nach Inkrafttreten der Tarifverträge des Marburger Bundes gruppierte die Beklagte den Kläger sowie den weiteren Arzt K in Vergütungsgruppe III ein, während der weitere Leitende Abteilungsarzt M-M Entgelt nach Entgeltgruppe IV erhält.
Der Kläger ist mit dieser Regelung nicht einverstanden. Er ist der Ansicht, dass er mindestens ebenfalls nach Entgeltgruppe IV zu vergüten ist. Dies beruhe seiner Ansicht nach darauf, dass die Abteilung zwar keinen Chefarzt habe, deshalb aber alle drei als Leitende Abteilungsärzte beschäftigten Mitarbeiter den vakanten Posten des Chefarztes vertreten. Letztlich stelle sich die medizinische Verantwortung gleich der eines Chefarztes dar, da übergeordnete ärztliche Mitarbeiter in der Abteilung nicht vorhanden sind. Ein Verzicht auf die Überstundenvergütung und die Vergütung von Bereitschaftsdiensten, welche nach Ansicht der Beklagten bei Chefarztverträgen üblich sei, sei deshalb nicht in Betracht gekommen, weil in der Abteilung letztlich derzeit nur ein weiterer Assistenzarzt in der Facharztausbildung beschäftigt wird. Die notwendige Sicherstellung der Bereitschaftsdienste müsse deshalb auch unmittelbar durch die Leitenden Oberärzte erfolgen, während üblicherweise Chefärzte lediglich so genannte Hintergrunddienste leisten.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Entgeltgruppe IV deshalb nicht eingreife, weil im Regelfall nach der Protokollerklärung zum Tarifvertrag innerhalb einer Klinik nur eine Person den Chefarzt in der Gesamtheit der Dienstaufgaben vertreten solle. Soweit man den Kläger wegen der Tatsache, dass er keinem anderen Arzt untergeordnet sei, als Chefarzt ansehen wolle, sei nicht zwingend, dass er in diesem Falle die höchste Vergütung nach der tarifvertraglich geregelten Vergütungsordnung beziehen müsse. Wenn man die tatsächlich geleistete Vergütung und das Privatliquidationsrecht zusammenfasse, verdiene der Kläger jedenfalls immer noch deutlich mehr als ein Leitender Oberarzt.
Das Arbeitsgericht ...