Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahmeklausel. ergänzende Vertragsauslegung. Überleitungstarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, wonach die „Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter bzw. Angestellten der Deutschen Bundespost in ihrer jeweiligen Fassung” gelten, beinhaltet nach ihrem Wortlaut keine Tarifwechselklausel, so dass nur die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG als Rechtsnachfolgerin im Telekommunikationsbereich Anwendung finden.
2. Nach ergänzender Vertragsauslegung gelten allerdings auch solche Tarifbestimmungen für das Arbeitsverhältnis, die in einem aus Anlass eines Betriebsübergangs auf eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft (hier: Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH) abgeschlossenen Überleitungstarifvertrag festgelegt sind, sofern auch die Deutsche Telekom AG Tarifvertragspartei ist.
3. Zum Zustandekommen einer Tarifeinigung, deren Gültigkeit von der Zustimmung der zuständigen Gremien der Tarifvertragsparteien abhängig ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; TVG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 20.10.2009; Aktenzeichen 6 Ca 471/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 20.10.2009 – AZ: 6 Ca 471/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Tarifwerk der D T AG mit Tarifstand 30. November 2008 auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung findet.
Der Kläger war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. Januar 1991 bei der D B als Vollzeitbeschäftigter tätig.
In einem Änderungsvertrag vom 22. Januar 1992 ist u. a. bestimmt:
„Für das Arbeitsverhältnis gelten der Tarifvertrag für die Arbeiter der D (TV Arb-O) und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost Telekom in Beitrittsgebiet in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.”
Diese Regelung wurde bei späteren Vertragsänderungen nicht geändert.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger Gewerkschaftsmitglied ist.
Im Jahr 1990 entstanden im Zuge der Postreform I aus der D B drei öffentliche Unternehmen, u. a. die D B T., in deren Geschäftsbereich der Kläger tätig war.
Mit der Privatisierung dieser Unternehmen durch die Postreform II wurde zum 1. Januar 1995 durch § 21 Postpersonalrechtsgesetz die Überleitung der Arbeitsverhältnisse von dem Unternehmen D B T auf die D T AG und die Weitergeltung der Tarifverträge der D B bis zum Abschluss neuer Tarifverträge geregelt.
In der Folgezeit vereinbarte die D T AG mit der Gewerkschaft v Verbesserungen der nach dem TV Arb geltenden Arbeits- und Entgeltbedingungen, die Einführung eines neues Entgeltsystems NBBS mit Wirkung zum 1. Juli 2001 und im Jahr 2004 eine Absenkung der Regelarbeitszeit bei nur teilweisem Lohnausgleich. Soweit das Arbeitsverhältnis des Klägers dem Geltungsbereich der Tarifänderungen unterfiel, wurden sie mit seinem Einverständnis umgesetzt.
Aufgrund eines Betriebsübergangs trat die Beklagte am 1. Dezember 2008 in das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der D T AG gemäß § 613 a BGB ein. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2008 unterrichtete die D AG den Kläger und die anderen betroffenen Arbeitnehmer über den Grund für den Betriebsübergang und über die Rechtsfolgen.
Darin heißt es u. a.:
„Allerdings war es immer unserer Wille, mit der Gewerkschaft ver.di ein entsprechendes Regelungswerk (TV SR 2007) zu vereinbaren und Ihnen Konditionen zu sichern, die mit den Konditionen der Mitarbeiter, die bereits im Juni 2007 gewechselt sind, materiell vergleichbar sind. Die Verhandlungen konnten erfreulicherweise zwischenzeitlich erfolgreich beendet werden. Mit v wurde am 25. November 2008 die als Anlage 2 beiliegende Tarifeinigung abgeschlossen, die im Wesentlichen den Regelungen des TV SR 2007 entspricht. Die Redaktionsverhandlungen zur Umsetzung der Tarifeinigung werden in Kürze beginnen. Die vereinbarten Regelungen treten zum 1. Dezember 2008 in Kraft.”
Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die von der Beklagten und der D AG mit der Gewerkschaft v Tarifeinigung, die sich an bei der Beklagten bestehenden Firmentarifverträgen orientiert und die von den Tarifverträgen der D T AG u. a. bei der Arbeitszeit und beim Arbeitsentgelt zu Lasten der Arbeitnehmer abweicht, vor dem 1. Dezember 2008 zustande gekommen ist, ob sie gegen höherrangiges Recht verstößt und ob sie kraft der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet.
Die Beklagte hat eine Ausfertigung der Tarifeinigung zur Überführung der Technik-Zentren von der D in die D vorgelegt, die für sie von ihrem Geschäftsführer Herrn P., für die D von deren Leiter Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen (Tarif Policy & Labour Relations) Herrn Dr. S und für die Gewerkschaft ver.di von dem Gewerkschaftssekretär Herrn S unterzeichnet ist. In dieser heißt es einle...