Entscheidungsstichwort (Thema)
betriebsbedingte Kündigung. Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. Auflösungsantrag. Beleidigung
Leitsatz (amtlich)
1) Die Zusammenführung von zwei bisher voll ausgelasteten Arbeitsplätzen zu einem verbleibenden Arbeitsplatz bedarf einer besonderen substantiierten Begründung, die den 50 %-igen Wegfall des bisherigen Arbeitsbedarfs nachvollziehbar erläutert.
2) Der Grund für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG kann sich aus dem Verhalten eines Prozessbevollmächtigen im gerichtlichen Verfahren ergeben, das sich die Partei zurechnen lassen muss. Ein untauglicher, weil ohne entsprechenden Titel vorgenommener Zwangsvollstreckungsversuch reicht hierfür in aller Regel noch nicht aus. Demgegenüber kann die anwaltliche Unterstellung gegenüber einem Vorgesetzten des klagenden Arbeitnehmers, er werde aufgrund seiner persönlichen Abhängigkeit von der Beklagten im Prozess als Zeuge die Unwahrheit sagen, einen Auflösungsgrund darstellen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 03.06.2008; Aktenzeichen 8 Ca 7353/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.06.2008 – 8 Ca 7353/07 – wird zurückgewiesen.
2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie über einen hilfsweise arbeitgeberseitig gestellten Auflösungsantrag.
Der am 14.10.1958 geborene, ledige Kläger ist seit dem 03.12.1997 bei der Beklagten mit einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt 4.800,00 EUR brutto beschäftigt. Nach mehreren Änderungen der vertraglichen Aufgabenstellung ist der Kläger zuletzt als „Leiter internes Help Desk” tätig.
Mit Schreiben vom 22.08.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Bezugnahme auf betriebsbedingte Gründe ordentlich zum 31.12.2007 und stellte den Kläger zeitgleich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Mit der am 03.09.2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Kündigungsschutzklage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Kündigung.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil vom 03.06.2008 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 22.08.2007, zugegangen am selben Tag, zum 31.12.2007 aufgelöst worden ist und hat die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht vorgetragen, welche Arbeitsmenge bei den bisherigen zwei Help Desk Leiterstellen insgesamt angesiedelt gewesen sei und auf welche Weise sich die entsprechende Arbeitsmenge durch die Zusammenlegung der beiden Bereiche „internes Help Desk” und „externes Help Desk” derart verringert habe, dass sie künftig nur noch dem vertraglichen Arbeitsleistungsvolumen einer Vollzeitstelle entsprochen habe. Es fehlten die erforderlichen tatsächlichen Beschreibungen zu den betrieblichen Abläufen und die hierdurch gebundenen Arbeitsleistungskapazitäten sowie eine auf die Leitungspositionen bezogene Gegenüberstellung der früheren Situation zu derjenigen nach Umsetzung der Unternehmerentscheidung zur Zusammenlegung. Von daher seien keine dringenden betrieblichen Gründe erkennbar, die die betriebsbedingte Kündigung des Klägers als ultima ratio bedingen können. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 131 – 141 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 16.06.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.06.2008 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 18.09.2008 begründet.
Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer gesteigerten Darlegungs- und Beweislast der Beklagten ausgegangen. Eine solche werde vom Bundesarbeitsgericht nur für den Fall anerkannt, dass die unternehmerische Entscheidung „nur” im Abbau einer Hierarchieebene bestehe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Von daher gelte auch hier die Vermutungswirkung der Sachlichkeit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, so dass es dem Kläger obliege, den Nachweis des Rechtsmissbrauchs oder der Willkür zu führen. Dies sei nicht geschehen. Außerdem könne vom Arbeitgeber eine konkrete Darlegung der Arbeitsmengen und ihrer Verteilung vor und nach der Unternehmerentscheidung allenfalls dann gefordert werden, wenn die von ihm hier zu vorgetragenen Grundsätze vom Kläger substantiiert und prozessual erheblich bestritten würden. Auch hieran fehle es.
Unabhängig von diesen Grundsätzen legt die Beklag...