Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist
Leitsatz (amtlich)
1.) Beträgt die krankheitsbedingte Fehlzeitenquote des Arbeitnehmers in den beiden letzten Jahren vor der Kündigung 100 %, in fünf der acht letzten Jahre weit mehr als 50 % und in keinem Jahr dieses Zeitraums unter 30 % und wird dem Arbeitnehmer wenige Wochen vor Ausspruch der Kündigung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zugebilligt, so liegt ein „sinnentleertes” Arbeitsverhältnis im Sinne der BAG-Rechtsprechung zur außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung vor.
2.) Hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit durch diverse Maßnahmen am Arbeitsplatz versucht, den gesundheitlichen Problemen des Arbeitnehmers Rechnung zu tragen und dabei die extrem hohen Fehlzeiten überdurchschnittlich lange hingenommen, so ist ihm dies im Rahmen der Interessenabwägung zugute zu halten. Keineswegs kann aus einem solchen Verhalten eine Verwirkung des Rechts zur krankheitsbedingten Kündigung abgeleitet werden.
Normenkette
BGB §§ 626, 242; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 18.01.2007; Aktenzeichen 8 (12) Ca 9353/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.01.2007 in Sachen 8 (12) Ca 9353/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, den Kündigungsschutzantrag abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 18.01.2007 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 27.02.2007 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 22.03.2007 Berufung einlegen und diese am 25.04.2007 begründen lassen.
Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 22.09.2005 nicht aufgelöst worden sei. Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit dem Argument auseinandergesetzt, dass der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung seitens des beklagten Landes im September 2005 gemäß § 242 BGB bereits verwirkt gewesen sei.
Des weiteren meint der Kläger, es widerlege die negative Gesundheitsprognose, dass er in der Zeit vom 02.01.2006 bis zum 15.02.2007 in der Lage gewesen sei, eine Teilzeitbeschäftigung als Garderobier für die Firma I.. S GmbH durchzuführen, die lediglich aus betriebsbedingten Gründen beendet worden sei.
Des weiteren habe er, der Kläger, durch seine behandelnden Ärzte erstinstanzlich Beweis dafür angeboten, dass er bei richtiger Medikamentierung auch zukünftig arbeiten könne. Gerade bei Schmerzpatienten sei es so, dass diese oftmals erst nach jahrelanger Behandlung durch spezialisierte Ärzte so eingestellt seien, dass sie schmerzfrei seien und ohne Beeinträchtigungen am täglichen Leben und Arbeiten teilnehmen könnten.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts falle schließlich auch die Interessenabwägung nicht zu seinen Ungunsten aus.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.01.2007, Az.: 8 (12) Ca 9353/05, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.09.2005 aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
Das beklagte Land als Berufungsbeklagter beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Das beklagte Land verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und führt im Einzelnen aus, warum es die Berufungsangriffe des Klägers für unbeachtlich hält.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger auf Befragen mitgeteilt, dass ihm die BfA mittlerweile die entsprechenden Formulare übermittelt habe, um die Verlängerung der ihm zugebilligten Erwerbsminderungsrente zu beantragen, wovon er nach derzeitigem Sachstand auch Gebrauch machen wolle.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet:
II. Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 18.01.2007 konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung, die das beklagte Land am 22.09.2005 unter Einhaltung einer längst möglichen Kündigungsfrist als sozialer Auslauffrist bis zum 31.03.2006 ausgesprochen hat, rechtswirksam ist, und das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung auch ausführlich, sorgfältig und sachangemessen begründet. Das Berufungsgericht kann an die Ausführungen in den arbeitsgerichtlichen...