Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersdiskriminierung. Befristung im Hochschulbereich. Habilitation. Nachwuchswissenschaftler. Selbstverwaltungsrecht der Universitäten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Einführung einer starren Altershöchstgrenze durch eine Universität für die Besetzung von Stellen, die der Habilitation sog. Nachwuchswissenschaftler dienen, stellt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters dar, die nicht mit dem hochschulpolitischen Ziel gerechtfertigt werden kann, das Erstberufungsalter für Professoren herabzusetzen.

2. Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob eine solche Maßnahme noch vom Selbstverwaltungsrecht der Universität gedeckt ist, insbesondere dann, wenn die Qualifikation der Nachwuchswissenschaftler nicht für den eigenen Bedarf erfolgt, weil sog. Hausberufungen grundsätzlich nicht vorgenommen werden.

3. Die Befristung des Vertrages eines solchen Nachwuchswissenschaftlers auf den Zeitpunkt, zu dem er die Altershöchstgrenze erreicht, ist somit gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

4. Darüber hinaus kann sich die Universität auch gemäß § 242 BGB nicht auf eine solche Befristung berufen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der erstmaligen Einstellung des Nachwuchswissenschaftlers und dem Zeitpunkt, zu dem er die Altershöchstgrenze erreicht, weit weniger Zeit verstreicht als nach statistischen Durchschnittswerten für den Abschluss einer Habilitation erforderlich wäre.

5. Die Unwirksamkeit der Befristung hat zur Folge, dass der Vertrag gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG i.V.m. § 16 Satz 1, 1. Halbs. TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.

 

Normenkette

GG Art. 12; BGB § 242; AGG §§ 1-3, 7-8, 10, 15; TzBfG §§ 14, 16-17; WissZeitVG § 1 ff

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 01.09.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1281/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.04.2011; Aktenzeichen 7 AZR 524/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 01.09.2008 in Sachen 1 Ca 1281/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristung im Hochschulbereich vor dem Hintergrund einer möglichen Benachteiligung des Klägers wegen des Lebensalters.

Der am 25.01.1968 geborene, ledige Kläger, legte im Jahre 1988 seine Abiturprüfung ab. Er studierte sodann von 1988 bis 1995 in F. Forstwissenschaften. Von 1995 bis 1998 beschäftigte er sich am Graduiertenkolleg in Fr. mit seiner Promotion zum Thema Forstwirtschaft in Thailand. Nach einer freiberuflichen Tätigkeit in den Jahren 1998 bis 2003 sowie drei Thailand-Aufenthalten in den Jahren 1996, 1997 und 2002 vollendete er seine Promotion im Jahre 2003. In den Jahren 2004/05 arbeitete der Kläger als Entwicklungshelfer für die Organisation O. in K..

Seit dem 01.06.2005 ist der Kläger als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung S. osta-Wissenschaften des Instituts für O. – und wissenschaften der beklagten Universität beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde gemäß §§ 57 a ff. HRG bis zum 31.05.2007 befristet. Dem Kläger wurden Dienstleistungen und Aufgaben in Lehre und Forschung gemäß § 59 Abs. 1 HRG mit einer Lehrverpflichtung von vier Wochenstunden auferlegt. Es handelt sich um eine Stelle für sogenannte Nachwuchswissenschaftler, die der wissenschaftlichen Weiterqualifikation gewidmet ist. Für bereits promovierte Wissenschaftler wie den Kläger bedeutet dies, dass die Stelle dazu dient, sich zu habilitieren. Dementsprechend arbeitet der Kläger auch an seiner Habilitation.

Das Institut für O. – und A. wissenschaften beantragte eine Verlängerung des Anstellungsverhältnisses mit dem Kläger um zwei Jahre. Eine solche Verlängerung lehnte die Beklagte ab, und zwar weil einem Rektoratsbeschluss vom 21.11.2005 zufolge Beschäftigungsverhältnisse mit wissenschaftlichem Personal auf der Qualifizierung dienenden sogenannten Nachwuchsstellen nur zulässig sei, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor dem vollendeten 40. Lebensjahr, ausnahmsweise spätestens ein halbes Jahr nach Vollendung des 40 Lebensjahres, ende.

Dementsprechend schlossen die Parteien unter dem 14.05.2007 einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 31.05.2005, wonach der Kläger „befristet bis zum 30.06.2008 im Rahmen einer Befristung gemäß §§ 1 ff. WZVG weiterbeschäftigt” werden sollte (Bl. 9 f. d. A.).

Unter dem 28.01./01.02.2008 beantragte das Institut für O. – und A. wissenschaften erneut eine Verlängerung des Anstellungsverhältnisses des Klägers um zwei Jahre. Zur Begründung führte der geschäftsführende Direktor des Instituts u. a. aus, dass dem Kläger „die Chance auf Fertigstellung der Habilitation” gegeben und gleichzeitig „in der Abteilung für S ostasien-Wissenschaft für Kontinuität gesorgt” werden solle. Auf die Begründung des Verlängerungsantrages durch Professor A. vom 28.01.2008 und Professor C. vom 01.02.2008 (Bl. 11 – 15 d. A.) wird Bezug genommen.

Das Rektorat der beklagten Universität lehnte den Verlängerungsantrag ab. In dem Begründungsschreiben hierzu vom 15.02.2008 führt der Rektor folgendes aus:

„Einer Weit...

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