Rechtsmittel zugelassen
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Arbeitgeber sich entschlossen, hat, seinen Betrieb zu einem bestimmten Termin zu schließen und alle Arbeitnehmer spätestens zu diesem Termin zu entlassen, verstößt es nicht gegen das Gebot der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten (§ 1 Abs. 3 S. 1 KschG), Wenn er anstatt allen Arbeitnehmern gleichzeitig zu kündigen, zuerst den Arbeitnehmern mit der – längsten Betriebszugehörigkeit und damit längsten Kündigungsfristen kündigt und erst einige Zeit danach den Arbeitnehmern mit kürzerer Betriebsdazugehörigkeit und Kündigungsfrist.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 16.08.1994; Aktenzeichen 1 Ca 190/94) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16.8.1994 – 1 Ca 190/94 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Streitwert: unverändert.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine GmbH. Inhaber ist Herr …. Er hat mit dieser GmbH ein Bauunternehmen (Hoch-, Tief- und Stahlbetonbau) betrieben mit in der Regel 15 bis 20 Arbeitnehmern (Kläger) oder 10 bis 15 Arbeitnehmern (Beklagte). Daneben „verwaltet” Herr … ihm gehörende Immobilien („Einzelfirma”).
Der Kläger, geboren am 1.1.1956, war ab 1.12.1974 Arbeiter/Vorarbeiter bei der Beklagten gegen eine Vergütung von zuletzt rund 4.500 DM brutto monatlich. Die Beklagte hat ihm mit Schreiben vom 28.1.1994 zum 31.07.1994 gekündigt (Blatt 3 GA), anschließend auch den übrigen Arbeitnehmern, überwiegend zu einem früheren Zeitpunkt. Der Kläger hat am 7.2.1994 Klage gegen die Kündigung erhoben und sich auf Kündigungsschutz berufen. Er hat beantragt,
- festzustellen, daß die Kündigung des Beklagten vom 28.1.1994, zugestellt am 31.1.1994 sozialwidrig ist und das Arbeitsverhältnis über den 31.7.1994 hinaus ungekündigt fortbesteht;
- das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung nach § 10 KSchG aufzulösen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht: Zur Jahreswende 1993/1994 habe sich Herr … entschlossen, seinen Baubetrieb zum 31.7.1994 einzustellen, weil er unrentabel gewesen sei. Diese Entscheidung habe er seinem Steuerberater, seinem Rechtsanwalt und seiner kaufmännischen Hilfskraft mitgeteilt. Er habe damals einen Plan erstellt und festgestellt, wie lange wieviele Arbeitnehmer noch zur Abwicklung der vorhandenen Aufträge beschäftigt werden müßten. Dabei habe er festgestellt, daß fünf bis sieben Arbeitnehmer noch gebraucht würden, um die in den ersten drei Monaten vorhandenen Aufträge abzuwickeln, und in den darauffolgenden Monaten noch vier bis zwei Arbeitnehmer. Er habe sich dann entschlossen, zunächst dem Kläger und dem Arbeitnehmer S. zu kündigen, weil die die längeren Kündigungsfristen gehabt hätten. Zu diesem Zeitpunkt habe er aber schon vorgehabt, auch den anderen Arbeitnehmern zu kündigen. Er habe die anderen Kündigungen ja auch ausgesprochen (zum 15.2.1994 bzw. 28.2.1994 bzw. 31.3.94) gemäß Aufstellung im Schriftsatz vom 18.4.1994 (Blatt 2, GA Blatt 15). In zwei Fällen, in denen er den Arbeitnehmern zum 31.3, gekündigt habe, habe sich aber herausgestellt, daß eine Weiterbeschäftigung dieser beiden Arbeitnehmer erforderlich sei, um nämlich einen zusätzlichen Auftrag, der kurzfristig hereingekommen sei (Aufstellung Schriftsatz vom 26.7.1984, Blatt 34 d. Akte) noch abzuwickeln. Nach dem 31.7.1994 habe die GmbH keine Tätigkeit mehr entwickelt. An dem zuletzt von ihr errichteten Hallen, die Herr … persönlich in Auftrag gegeben habe, hätte nach dem 31.7.1994 eine englische Firma H. gearbeitet. Diese habe Arbeiten verrichtet, die zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der bisherigen Bautätigkeit der Beklagten gewesen seien (Verblendmauerwerksarbeiten) und die die Mitarbeiter der Beklagten und damit auch der Kläger nicht hätten durchführen können. Die Beklagte habe die zu betrieblichen Zwecken als Produktionsgesellschaft genutzte Werkstatt, sowie Büro- und Lagerflächen von der Einzelfirma … als Besitzgesellschaft angemietet und -die Mietobjekte nach Einstellung ihrer betrieblichen Tätigkeit an die Einzelfirma infolge der Beendigung der Mietverträge zurückgegeben. Die Beklagte verfüge als reine Produktionsgesellschaft über keinerlei Anlagevermögen. Die erforderlichen Betriebsmittel seien ihr auf der Grundlage von Mietverträgen durch die Einzelfirma … als Besitzgesellschaft zur Verfügung gestellt worden. Soweit die Beklagte zur Durchführung der Stahlbetonbauarbeit über Gerätschaften, beispielsweise einen Kran, eine Rüttelplatte und diverse Kleinwerkzeuge verfügt habe, seien auch diese Gegenstände nach Beendigung der werbenden Tätigkeit der Beklagten an die Besitzgesellschaft zurückgegeben und von dieser veräußert bzw. verschrottet worden, sofern eine erlösbringende Veräußerung nicht mehr möglich gewesen sei. Während des Rechtsstreits habe Herr … dem Kläger, um die Sache vom Tisch zu haben, angeboten, 10.000 DM als Abfindung zu zahle...