Leitsatz (amtlich)
Während des Erziehungsurlaubs entfällt ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine einzelvertraglich zugesagte Sonderzahlung nur, wenn es sich um eine Leistung mit reinem Entgeltcharakter handelt, mit der keine weiteren Zwecke als die Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung verfolgt wird (Fortführung von BAG AP Nr. 174 zu § 611 BGB Gratifikation)
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 22.08.1996; Aktenzeichen 6 Ca 749/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.08.1996 – 6 Ca 749/96 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.700,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.12.1995 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem 01.10.1991 bei der Beklagten als Verkaufssachbearbeiterin beschäftigt. Sie erhielt zuletzt ein monatliches Gehalt von 3.700,00 DM brutto. Seit Oktober 1994 befindet sich die Klägerin im Erziehungsurlaub. Mit der vorliegenden Klage beansprucht die Klägerin eine im Anstellungsvertrag vereinbarte Gratifikation für das Jahr 1995. Die arbeitsvertragliche Regelung unter Ziffer 4) des Anstellungsvertrages hat folgenden Wortlaut:
„Die Mitarbeiterin erhält mit Auszahlung des Novembergehaltes als freiwillige Leistung des Arbeitgebers eine Gratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes. Im Ein- und Austrittsjahr wird die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt.
Die Mitarbeiterin kann verpflichtet werden, die Gratifikation zurückzuzahlen, wenn sie aufgrund eigener Kündigung oder verhaltensbedingter Kündigung bis zum 31.03 des folgenden Kalenderjahres ausscheidet.”
Die Klägerin hat – nachdem die Beklagte vorgerichtlich die Zahlung einer Gratifikation für das Kalenderjahr 1995 abgelehnt hat – beim Arbeitsgericht Zahlungsklage erhoben und die Auffassung vertreten, die Vereinbarung der Parteien sei dahingehend auszulegen, daß mit ihr die Betriebstreue der Klägerin abgegolten werden solle. Daher stehe ihr auch während der Dauer des Erziehungsurlaubs ein Anspruch auf die Gratifikation zu.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.700,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 01.12.1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Gratifikation habe den Zweck, die Klägerin für geleistete Dienste zu belohnen, darüber hinaus stelle sie einen Ansporn für die Zukunft dar. Die Gratifikation habe Entgeltcharakter und sei daher für die Dauer des Erziehungsurlaubs nicht zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat durch ein am 22.08.1996 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen und dies damit begründet, daß die zwischen den Parteien vereinbarte Gratifikation Mischcharakter aufweise, für den Entgeltcharakter spreche die anteilige Zahlung im Ein- und Austrittsjahr, für die Auffassung der Klägerin spreche die Rückzahlungsklausel. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe im Falle des Erziehungsurlaubs aber nur dann ein Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung, wenn sie keinen Entgeltcharakter habe. Selbst wenn man die besagte Zuwendung als reine Treueprämie ansehe, könne dem Arbeitgeber keine Zahlungsbereitschaft nur für das Vorhandensein eines Arbeitsvertrages und entsprechende Arbeitsleistung unterstellt werden.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin am 19.11.1996 zugestellt worden. Hiergegen hat die Klägerin am 17.12.1996 beim Landesarbeitsgericht schriftlich Berufung eingelegt und diese am 16.01.1997 schriftlich begründet:
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Beklagte zur Jahressonderzahlung für das Jahr 1995 verpflichtet. Die Befreiung der Beklagten von der Zahlungspflicht während des Erziehungsurlaubs führe nicht automatisch zum Wegfall der vereinbarten Gratifikation. Dies sei nur dann der Fall, wenn sie zweifelsfrei als zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit angesehen werden müßte. Gegen den Vergütungsgrad spreche jedoch hier zum einen die Vereinbarung einer Wartezeit und die vereinbarte Rückzahlungsklausel.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.08.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.700,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 01.12.1995 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit der Berufungserwiderung verteidigt sie die angefochtene Entscheidung. Der Auffassung der Klägerin, es handele sich bei der vereinbarten Gratifikation um eine solche mit Vergütungscharakter, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr sei die Regelung in Ziffer 4) eine eindeutig entgeltbezogene Regelung. Der Ausschluß eines Anspruchs in einem solchen Falle ergebe sich ohne weiteres aus dem Gesetz, § 323 BGB. Nur dann, wenn mit einer Jahresleistung ausnahmsweise überwiegend nicht Arbeit, sondern Betriebstreue entgolten werden solle, bestehe eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterzahlung. Ein solcher Ausnahmefall liege jedoch hier nicht vor. Insbesondere ändere die Rückzahlungsklausel nichts an dem Charakter des Absa...