Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Zwangsvollstreckung aus Brutto-Titel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Arbeitnehmer aus einem Brutto-Titel in voller Höhe vollstreckt, es dann aber – bewusst – unterlassen, die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abzuführen, so kann der nunmehr von der Versicherung in Anspruch genommene Arbeitgeber von ihm u.a. in entsprechender Anwendung von §§ 670, 426 BGB Erstattung verlangen.

2. § 28 g Satz 2 u. Satz 3 SGB IV finden auf diesen Erstattungsanspruch keine Anwendung.

 

Normenkette

BGB § 670; SGB IV §§ 28 g, 28 o

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Aktenzeichen 8 Ca 4080/00)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.09.2000 – 8 Ca 4080/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Erstattungsanspruch der ehemaligen Arbeitgeberin wegen von ihr verauslagter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.

Der Beklagte, welcher Wirtschaftsprüfer ist, stand in der Zeit vom 01.01.1991 bis zum 30.06.1996 bei der Klägerin in einem Anstellungsverhältnis. In dem vorangegangenen Verfahren LAG Köln 6 Sa 1190/98 stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zum 30.06.1996. Mit Urteil vom 04.03.1999 stellte das LAG Köln die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung fest. Weiterhin verurteilte es die Klägerin, an den Beklagten 42.000,00 DM brutto für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.1996 als Gehalt zu zahlen. Vier Wochen nach Zustellung des Titels betrieb der Beklagte die Zwangsvollstreckung, indem er einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in Höhe der Bruttoforderung erwirkte, woraufhin die Klägerin den geforderten Betrag von insgesamt 42.557,26 DM an den Beklagten zahlte.

Der Beklagte unterließ es in der Folgezeit, die Arbeitnehmeranteile auf die Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an die zuständige Barmer Ersatzkasse zu zahlen. Diese wandte sich daraufhin an die Klägerin und verlangte von dieser den entsprechenden Betrag in Höhe von insgesamt 5.397,00 DM, wobei sie darauf hinwies, dass sie ihrerseits keine gesetzliche Handhabe habe, gegen den Beklagten vorzugehen, dass dieser aber gegenüber der Klägerin erstattungspflichtig sei. Die Klägerin zahlte dementsprechend die Arbeitnehmeranteile auf die Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 5.397,00 DM.

Mit der vorliegenden, durch Mahnbescheid vom 03.05.2000 eingeleiteten Klage macht die Klägerin die Erstattung der von ihr verauslagten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung geltend. Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.397,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich insbesondere auf § 28 g SGB IV berufen.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 26.09.2000 der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, durch ihre Zahlung an die BEK als Einzugsstelle für den Sozialversicherungsbeitrag habe die Klägerin eine im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis der Parteien allein den Beklagten treffende Verpflichtung erfüllt, mithin dessen Befreiung von seinen entsprechenden Beitragsschulden bewirkt. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erstattung vorgeleisteter Lohnsteuern sei zwischen den Parteien ein auftragsähnliches Legalschuldverhältnis entstanden. Hieraus schulde der Arbeitnehmer analog §§ 670, 426 Abs. 1 Satz 1 BGB die Erstattung der entsprechenden Aufwendungen. Dem stehe auch § 28 g SGB IV nicht entgegen, da diese Norm nicht bezwecke, dass der Arbeitnehmer die Vergütung „brutto gleich netto” erhalte, wenn er infolge eines entsprechenden arbeitsgerichtlichen Titels eine volle Bruttoauszahlung erlange. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 24 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Gegen das dem Beklagten am 03.11.2000 zugestellte Urteil hat dieser am 22.11.2000 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Der Beklagte und Berufungskläger steht weiterhin auf dem Standpunkt, dass er nicht verpflichtet sei, der Klägerin die von dieser verauslagten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zu erstatten. Dem stehe der eindeutige Wortlaut von § 28 g SGB IV entgegen, zumal die Ausnahmen des § 28 o SGB IV nicht erfüllt seien. Die Anwendung des § 28 g SGB IV sei auch gerecht; denn die Klägerin habe nach Erlass des Urteils des LAG Köln in Sachen 6 Sa 1190/98 vier Wochen Zeit gehabt, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und dann nur den nach Abzug der Abgaben verbleibenden Betrag an ihn, den Beklagten, auszukehren.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des am 26.09.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln 8 Ca 4080/00 die Klage

abzuweise...

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